Schon
zu Beginn dieser so selten aufgeführten opera comique wurde man durch
Portraits aktueller und historischer Räubergesellen, abgedruckt auf dem
Zwischenvorhang, auf das kommende Handlungsgeschehen eingestimmt, das
Intendant Dr. Ulrich PETERS selbst in die Hand genommen hat, und das man
ruhigen Gewissens als gelungen bezeichnen kann. Diese Rarität von Daniel-Francois-Esprit
Auber, das der Komponist in zwei Fassungen schrieb, gesellte sich zu den
ebenso gelungenen "I Masnadieri" hinzu. Entpuppt sich das Staatstheater
am Gärtnerplatz als spezieller Aufführungsort musikalischer Räubergeschichten?
Welche
Fassung nun gespielt wurde, hatte das Publikum in der Pause zu entscheiden,
sehr launig zu Beginn der Oper angekündigt vom Schauspieler Thomas PETERS
als "Mann vor dem Vorhang", untermalt von den ersten Takten der Ouvertüre,
leicht irritiert dadurch leider die musikalische Einstimmung zum Werk.
Da
sich das Publikum für die Fassung des Weiterlebens des Banditen Fra Diavolo
entschied, kam es am Premieren-Abend zu einer Flucht des Titelhelden mit
seiner Angebeteten. Offenbar hat Dr. Peters auch die Todesfassung parat
(in der Zeit der opéra comique war das nicht ungewöhnlich), denn der Titelheld,
den es wirklich gab, endete 1803 am Galgen. In der in den meisten Operführern
abgedruckten Handlung wird der Titelheld am Ende allerdings erschossen.
Um sich mit den Räubern der Historie zu befassen, die hauptsächlich in
Italien ihr Unwesen trieben, schmökert man am besten in dem sehr gut gestalteten
Programmheft.
Die
Dichtung von Eugène Scribe, die Ulrich Peters selbst für sein Haus bearbeitet
und ins Deutsche neu übersetzt hat, wurde von diesem auch ganz im Sinne
einer opera comique des 19. Jahrhunderts inszeniert; manchmal ein wenig
zu dick aufgetragen mit zu viel Turbulenz auf der Bühne, aber ansprechend
und die Texte mit viel Witz, passend zur Musik Aubers, der zeitgleich
mit Rossini, dem Vertreter der ähnlichen opera buffo in Italien, der französischen
ursprünglichen Jahrmarktsoper wieder Glanz und Ansehen verschaffte.
Das
glänzend disponierte ORCHESTER DES STAATSTHEATERS AM GÄRTNERPLATZ wurde
von Thomas KALB feinfühlig ganz im Sinne der Komposition geführt, der
bestens für die Einsätze der Protagonisten nach ihren Sprechtexten und
des Chors sorgte.
Kostüme
und Bühnenbild (Götz LANZELOT FISCHER und Herbert BUCKMILLER) versetzten
uns zurück in die Zeit des Originalgeschehens im italienischen Süden,
ins Gasthaus in Terracina. Anders als traditionell dürfte man diese Opern
gar nicht auf die Bühne bringen. Die Darsteller dafür hatte sich Intendanz
Peters gut ausgesucht. Christina GESTERBERGER als unglücklich liebende
Wirtstochter Zerline zu dem armen Lorenzo Peter SONN waren Bestwahl, in
ihren von Auber für sie komponierten kleinen Arien entsprachen sie voll
und ganz den Vorstellungen der Besetzung einer opera comique.
Tilmann
UNGER in der Titelrolle, ausgestattet mit einem baritonal gefärbten Tenor,
trat in Rolleninterpretation und gesanglicher Disposition etwas verhalten
auf, war das wohl das Premierenfieber? Gut gezeichnete komische Typen
mit guten werksgerechten Stimmen waren der Lord Kockburn und seine Ehefrau
Pamela von Daniel FIOLKA und Rita KAPFHAMMER gesungen, sowie die beiden
Räuber Beppo und Giacomo Mario PODRECNIK und Stefan SEVENICH, während
sich Christian HÜBNER als der Padrone Matteo nach anfänglichen Schwierigkeiten
bis zum Ende rollengerecht durchsetzen konnte.
Die
Figur des alten reichen Francesco, an den das junge Mädchen Zerline verheiratet
werden sollte, war durch Fritz GRAAS rollengerecht verkörpert. Der Einstudierung
des CHORS von Hans-Joachim WILLRICH sei wiederum großes Lob gezollt.
Mit
dieser Aufführung hat sich Intendant Peters wiederum, dieses Mal selbst,
einen guten Startstempel aufgedrückt, und man kann nur hoffen, daß dies
auch in ferner Zukunft so bleiben möge. I.St.
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