Die
letzte Premiere der diesjährigen Musiktheaterbiennale trägt den Untertitel
"Hörstück für ein Theater der wandernden Gedanken und Klänge", und so
wundert es nicht, daß der Komponist Jens Joneleit (Jg 1968) und sein Librettist
Michael Herrschel für die Entstehung des Werkes noch einen dritten Mann
ins Boot geholt hatten. Gunnar Hartmanns Aufgabe als Architekt und Raumdesigner
bestand darin, für das Wandern der Klänge in der Muffathalle zu sorgen.
Jeder Zuschauer bzw. Zuhörer sollte sein ganz persönliches Klangerlebnis
haben.
Durch
zwei gegenüber liegende Tribünen für die Zuschauer, von einem Laufsteg
getrennt, unter denen die Musiker in vier Gruppen aufgeteilt sitzen und
an deren oberen Rändern direkt über den Zuschauern die Choristen einen
Teil der Zeit stehen, wird der Klang verteilt. Weitere Bewegung entsteht
durch die Bewegung der Sänger, die mal oberhalb, mal zwischen den Zuhörern
oder auf dem langen Steg aktiv sind.
Der
Ausgangspunkt für das Hörstück ist das letzte Kapitel von Alfred Anderschs
Roman "Die Rote". Ein alter Fischer in Venedig, der Piero, gespalten in
einen Sänger und einen Schauspieler, reflektiert über das Sein und den
Tod in Gedanken und Erinnerungen. Dabei ist die Assoziation mit Luigi
Nono und dessen Musiktheater durchaus gewollt, so ist eines der Zwischenspiele
ihm gewidmet.
Eine
große Ruhe geht, trotz der manchmal grell in den Posaunen ausbrechenden
Musik, von der sehr knappen Handlung aus, wenn der Piero auf Wesen trifft,
die in ihren beigen Kostümen aus mehreren Jahrhunderten und mit weiß geschminkten
Brauen aus seinen Träumen oder aus einer anderen Welt stammen können.
Alles scheint zu fließen, obwohl kein Wasser da ist. Der Steg hebt und
senkt sich langsam, ein weißes Tuch senkt sich in die Mitte der Bühne
und wird mal Projektionsfläche, mal Segel, mal Leichentuch.
Die
Regisseurin Katharina THOMA findet wundervolle Bilder, in denen die Figuren
agieren. So schreibt die mysteriöse Frau (Niina KEITEL) mit rotem Haar,
die aus dem Chor heraussticht, Buchstaben in hellem Licht auf das Tuch,
um sie später wieder zurück zu nehmen. Da begegnen die beiden Pieros (Johannes
M. KÖSTERS und Michael AUTHENRIETH) dem jeweils anderen als Schatten auf
dem über den Steg hängenden Tuch, wobei die Zuschauer die Szene entweder
von der einen oder der anderen Perspektive beobachten. So wird auch in
den Bildern die Individualisierung der Wahrnehmung fortgeführt.
Yuval
ZORN am Pult hat bei diesem Konzept großes zu leisten, die zwölf solistisch
geführten Choristen, die beiden Pieros, die Frau und das hervorragende
ENSEMBLE MODERN durch die komplexe Partitur zu führen. Leider konnte man
den lyrisch verdichteten Text kaum verstehen und nicht mitlesen, dafür
hätten die Sinne nicht ausgereicht, selbst wenn es Übertitel gegeben hätte.
Ein beeindruckend gelungener Abschluss von zweieinhalb intensiven Wochen
mit neuester Musik. KS
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