Diese
von Hector Berlioz konzertant gewollte Légende dramatique en quatre parties
in vollendeter Opernform, zu der er auch das Libretto zusammen mit Almire
Gandonnière nach Textverwendungen von Goethes "Faust" 1. Teil in der französischen
Übersetzung von Gérard de Nerval schrieb, wird leider viel zu selten aufgeführt.
Die Ausnahme bildet nur der für ein vorbeiziehendes Heer hineingefügte,
aber vom Komponisten vorweg komponierte "Ungarische Marsch", der diese
musikalische Rarität glücklicherweise immer wieder in Erinnerung bringt.
Berlioz, wie das Programmheft vermittelt, gehörte ohnehin zu den Ausnahmekomponisten
der damaligen Zeit, in dem er einen ganz und gar neuen Typus programmatischer,
dramatischer Orchestermusik ersann, zu dem er auch noch immer wieder vergebliche
Versuche unternahm, sich in Paris als Opernkomponist zu etablieren. Daher
gelang es ihm auf seine höchst eigene Weise, Symphonisches mit Oper zu
verbinden und hier in diesem Werk zur Vollendung zu bringen.
Diesen
Kompositionsgedanken herauszubringen, ist dem SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN
RUNDFUNKES unter der Stabführung von Charles DUTOIT an diesem Abend vollendet
gelungen, man war gebannt von der ja so bekannten Handlung von Fausts
Verbindung mit Mephisto, der Verführung Margarethes bis zu ihrer Rettung
und dem kläglichen Ende ihres Verführers in der Unterwelt, die in hervorragend
gefärbter Orchesterinterpretation herüberkam und wieder einmal bewies,
daß das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks zu den besten Orchestern
der Welt gehört. Charles Dutoit vertrat den Chefdirigenten Mariss Jansons
würdigst, er vermochte durch seine sensible Stabführung in den 4 Teilen
mit insgesamt 19 Szenen in jeder einzelnen Szene die nötige Vorstellkraft
des Geschehens zu vermitteln.
Es
waren Solisten mit ausgezeichnetem Stimmaterial verpflichtet, die das
Handlungsgeschehen dem Kompositionsgedanken entsprechend bestens nahe
bringen konnten. Da Berlioz sich seine Titelfigur als melancholischen,
ohnmächtigen, an sich selbst leidenden, in Einsamkeit und Weltschmerz
erstarrten Träumer vorstellte, der unfähig ist, Lebensprozesse dynamisch
voranzutreiben, ist Gregory KUNDE an diesem Abend mit seinem tenoralen
Vortrag die Gestaltung dieser Figur voll gelungen; anfänglich mit einer
leichten Zurückhaltung in der Stimme konnte er sich bis zum Schluß enorm
steigern, vor allem im grausigen Höllenritt mit Méphistophélès, den der
Bariton David WILSON-JOHNSON teuflisch intrigant genug mit viel Färbung
in der Stimme interpretierte.
Ruxandra
DENOSE als Marguerite, deren "König in Thule"-Lied auch bei Berlioz Höhepunkt
des Werkes ist, wurde mit bester Mezzo-Stimmdisposition warm und gefühlvoll
gesungen. Auch Yorck Felix SPEER als Brandner rundete mit seiner Leistung
sehr gut die Reihe der Solistendarbietungen werksgerecht ab.
Gabriele
WEINFURTNER (Stimme im Himmel) nebst dem KINDERCHOR DES STAATSTHEATERS
AM GÄRTMERPLATZ, gut einstudiert von Verena SARRÉ, fügten sich sehr gut
ein, während der CHOR DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS unter der bewährten Einstudierung
von UDO MEHRPOHL in allen Szenen eine absolute Höchstleistung erbrachte
und ein Extra-Bravo verdient.
Alles
in allem ein unvergesslicher Konzertabend in der Philharmonie am Gasteig.
Irene Stenzel
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