Und
wieder mal eine Barockoper in München (die wievielte ist es eigentlich?),
diesmal von dem nahezu unbekannten Zeitgenossen Telemanns Reinhard Keiser,
der zeitlebens in dessen Schatten stand.
Dieses
Mal war es die Bayerische Theaterakademie August Everding/Hochschule für
Musik und Theater München, die sich des Werks erinnerte, und die es mit
Studenten des Studiengangs Gesang Musiktheater in Kooperation mit dem
Theater Bremen in dieses Jahrhundert hineinversetzten Inszenierung (Tilman
KNABE) vorstellte. Wie die meisten Werke des frühen 18. Jahrhunderts war
die Handlung einer historischen Vorlage (Libretto von Francesco Silvani)
entnommen, nämlich die politische Verbindung des Königs des westlichen
Frankenreichs Chilperichs mit der Westgotenprinzessin Galswintha im Jahre
567, anläßlich derer es zu einigen Verwicklungen und auch Morden in den
bestehenden Liebesbeziehungen am Hofe des Königs kam. Diese historischen
Auseinandersetzugen versuchte die Inszenierung, mit einem Kriegsschauplatz
und einer dazugehörigen Palastbaustelle auf die Bühne zu bringen mit realistischen
Darbietungen einer entfesselten höfischen Welt.
Mord
und Totschlag herrschten und realistischer Sex waren voll auf der Bühne
einzusehen (so wurde sogar der Geschlechtsverkehr des Tyrannen Chilprich
mit seiner hochschwangeren Geliebten Fredegunda dargestellt). Aber - muß
das sein, um ein nahezu unbekanntes Werk der Barockzeit dem Publikum nahe
zu bringen? Genügen eigentlich nicht die Berichte in den Medien Tag für
Tag über grauenhafte Ereignisse in aller Welt?
Durch
die ständige Anspannung, das Geschehen auf der Bühne zu verfolgen, hatte
man kaum Zeit, sich in die hohe Musikalität des Werks hineinzuversetzen.
Christoph HAMMER, Leiter der NEUEN HOFKAPPELLE MÜNCHEN gab sich mit seinen
Musikern dazu alle Mühe mit großer Einfühlsamkeit ins Werk.
Das
Sängermaterial an diesem Abend war nur teilweise vielversprechend. So
war Maria ERLACHER als Fredegunda mit dieser Rolle überfordert, ihre mit
Sicherheit gute Sopranstimme müßte noch mehr Technik üben, um so einen
langen Abend durchzustehen. Ihr Chilperich von Johannes WIMMER war gut
gesungen und dargestellt, ebenso die Galsuinde von Bianca KOCH, die besonders
in den langen Arien eine fundierte Stimmgrundlage und Durchhaltevermögen
aufwies.
Das
weitere Liebespaar Bazina (Katja STUBER, die ein ausgezeichne geschultes
Stimmaterial nebst Gestaltungsfähigkeit vorwies) und Hermenegild (Tomo
MATSUBARA) schoß den Vogel ab, dazu Sebastian SCHMID als Landerich, dem
eine Opernkarriere im deutschen Fach gesichert vorausgesagt werden kann.
Der Sigibert - Galsuindes Begleiter - wurde von Michael KRANEBITTER gesungen,
der seine Partie etwas blaß verkörperte.
Alles
in allem muß man dieses Werk nicht zweimal hören und sehen, es sei denn,
man ist ein Liebhaber unbekannter Barockkomponisten und macht während
der Aufführung die Augen zu. Aber dann würde man den frisch geborenen
neuen Tyrannen versäumen, der zum Schluß aus dem Kinderwagen krähte. Irene
Stenzel
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