Für
den Beginn der heurigen Opernfestspiele der Bayerischen Staatsoper hatte
man sich die Staatsoper Stuttgart mit einem einmaligen Gastspiel ihrer
Produktion von Hartmanns Oper nach Jakob Christoffel Grimmelshausen eingeladen.
Karl Amadeus Hartmann, dem die Münchner Musiklandschaft so viel verdankt,
wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden.
In
Grimmelshausens Text fand Hartmann die Geschichte um die Brutalität und
Absurdität des Krieges, die ihn faszinieren mußte. Bereits 1934/35 entstand
dieses Werk, das in 80 Minuten, in denen dem Komponisten oft die Worte
fehlen, den Krieg entschiedener verdammt, als viele Worte dies vermöchten.
Daß die herrschenden Nazis die zeitnahe Uraufführung dieses Werkes zu
verhindern wussten, liegt auf der Hand. Erst 1948 war an eine Aufführung
zu denken.
Bildet
auch der dreißigjährige Krieg den Hintergrund der Oper, so unterscheiden
sich die Leiden der Menschen, die von einem Krieg betroffen sind, und
die Spielchen der Mächtigen in allen Zeiten wenig. So muß der Simplicius,
der nicht wirklich versteht, was um ihn herum geschieht, die Zuschauer
auch heute bewegen. Mit kleinem Kammerensemble und wenigen Sängern gestaltet
Hartmann den Krieg, zu dessen Beginn Deutschland 12 Millionen, an dessen
Ende aber nur noch 4 Millionen Einwohner hatte.
Christoph
NELs Inszenierung gelingt es leider nicht, diese Eindinglichkeit zu transportieren.
Eine graue kahle Hausfassade mit großen Fensteröffnungen und ein hölzernes
Treppenhaus, beides nicht anheimelnd, aber auch nicht abschreckend (Bühne:
Karl KNEIDL) bilden den Hintergrund, auf dem die Personen eher wahllos
zu Leichen mit offenen Mündern mutieren, aufstehen und weiter umhergehen.
Beliebigkeit, statt Trostlosigkeit und Grauen, Papiermützen statt Abgrund.
Daß
der Abend dennoch ein umjubelter Erfolg wird, ist zwei Frauen zu verdanken.
Einmal Márcia HAYDÉE, diese zarte Frau mit dem strengen Gesicht. Mit immer
noch hörbarem Akzent spricht sie ihren Text, und zuzusehen, wie sie im
schweren Militärmantel auf der Bühne stupide im Kreis umhergeht, ist einfach
ein Genuss. Diese Körperbeherrschung, dieser Ausdruck in der Bewegung,
da braucht es kein klassisches Ballett, die Bewegung allein bewegt. Und
dann Claudia MAHNKE in der Titelrolle. Sie rollt über die Bühne, tobt,
ist naiv mit zerzaustem Haar, blickt unschuldig, ist innig und distanziert
zugleich, das geht einen an, faßt einen an.
Die
weiteren Personen werden dabei fast zu Randfiguren: Franz VAN AKEN als
herziger Einsiedel, Michael EBBECKE als brutaler Landsknecht oder Heinz
GÖHRIG als Gouverneur, der die Skurrilität der Situation genüßlich herausarbeitete.
Kwamé
RYAN und das STAATSORCHESTER STUTTGART waren jeden Augenblick der 80 Minuten
präsent und hellwach bei der Sache.
Warum
nimmt sich eigentlich keines der beiden Münchner Opernhäuser dieses Werkes
mal wieder an, nicht nur um Hartmanns Willen? KS
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