„ORFEUS“- 21. Januar 2005

Kinderopern haben eine lange Tradition. Für die Zeit zwischen Kindheit und Erwachsensein allerdings sieht es schon viel spärlicher aus. Wie bringt man die vierzehn- bis zwanzigjährigen zur Oper? Auf dieses Terrain wagten sich nun der Komponist Volker Nickel und sein Librettist Peer Boysen mit ihrer Uraufführung am Münchner Theater der Jugend.

Man entschied sich für den zeitlosen Stoff des Orpheus-Mythos, schon so oft erzählt, aber auch für Jugendliche? Um es gleich vorweg zu nehmen. Nickel und BOYSEN, der auch Regie führte, haben leider Schiffbruch erlitten. Dabei ist Boysens Regie eindringlich und durchdacht, wie man es von ihm kennt. Schon die Bühne in Gestalt eines Schiffsdecks, zum Bug hin ansteigend, in der Mitte mit Mast, in dessen Ausguck der Dirigent das Geschehen leitet und am Heck den von einem roten Vorhang verdeckten Hades schafft durch die Sitzblöcke der Zuschauer hindurch eine dichte Atmosphäre.

Und neben dem Bug zu beiden Seiten riesige bewegliche Figuren zwischen afrikanischem Voodoo und Außerirdischen tun ein Übriges. Die handelnden Personen sind androgyn in weiße und schwarze Papierkleider mit Korsagen gehüllt, eine Wirkung, die verstärkt wird durch die Besetzung mit zwei Sängern, einem Mezzo (Gabriela KÜNZLER) und einem Countertenor (Nicholas HARIADES). Nur Eurydike erreicht nach ihrem Tod den Hades im roten Unterkleid. Zudem sind alle Figuren weiß getüncht, eine Geste zwischen afrikanischer Bemalung und antiken Gipsfiguren.

Soweit so gut. Aber wo sich die Geschichte sinnlich und spannend für Jugendliche entfalten sollte, da bricht es weg. Ein Erzähler muß die Fabel erzählen, und selbst dann sollte man die Geschichte bereits kennen, um dem, was die fünf Schauspieler deklamieren, und die beiden Sänger in vielerlei Sprachen bekunden, folgen zu können. Ist die Geschichte unbekannt, weiß man am Ende nicht viel mehr davon und ist kaum gefangen genommen von der Tragik der Geschichte.

Nickels Musik ist trotz der hervorragenden Darbietung des MÜNCHENER KAMMERORCHESTERs unter seinem Chef Christoph POPPEN seltsam blutleer. Die Streicher bemühen oft Glissandi für den steten Abstieg der Reise und selbst das variantenreiche Schlagzeug (Thomas HASTREITER) bringt die Geschichte nicht auf den Punkt. Die vereinzelten Zugeständnisse an eingängige Populärmusik wirken aufgesetzt und als Fremdkörper.

Man wird am Ende den Verdacht nicht los, daß eine phantasievolle Gluck-Inszenierung zugänglicher für das Zielpublikum gewesen wäre. Schade, denn dass ein Einstieg in die Oper auch gerade für Jugendliche wichtig wäre steht außer Frage. KS