"The Age of Anxiety"/"Die Sieben Todsünden" - 16. Oktober 2005

Eigentlich hätte es ein düsterer Nachmittag werden müssen, trotz der strahlenden Herbstsonne über München. Denn was ist anderes zu erwarten von einem Programm, das sich mit dem Zeitalter der Angst und den Sieben Todsünden befaßt.

Aber gar nicht. Denn beide Komponisten des ersten "Vorhang Auf!"-Konzertes der Saison haben etwas zwischen Augenzwinkern und Lebensfreude bei aller Düsternis. Leonard Bernstein nahm sich zwischen 1947 und 1949 dem eher düsteren Text des englischen Dichters W. H. Auden an, in dem sich vier Menschen während des Krieges in einer Bar begegnen, die Nacht redend und trinkend verbringen, aber letztlich allein bleiben. In Bernsteins 2. Symphonie gibt es diese Momente von Tiefe und Einsamkeit, trotzdem sind die Augenblicke, die dem Hörer bleiben, die Masque, die von spielerischen Jazz-Elementen und dem Solo-Klavier (Fritz SCHWINGHAMMER) dominiert wird, und der Epilogue, der von einem überbordendem Optimismus getragen wird, ohne in Jubel zu verfallen. Fast könnte man es Gottvertrauen nennen. Lawrence FOSTER und das MÜNCHNER RUNDFUNKORCHESTER ließen sich auf diese Lesart ein und behielten den leichten und doch nicht leichten Ton auch nach der Pause bei.

Denn den braucht es für Kurt Weills "Sieben Todsünden", die immer auch von einem Augenzwinkern begleitet werden, das Bertolt Brecht in seinem Text fordert. Die weibliche Stimme der Anna wurde an diesem Nachmittag von MÍSIA, der portugiesischen Fado-Sängerin, gestaltet. Und die hatte mit gleich zwei Widrigkeiten zu kämpfen. Zum einen ist ihr die deutsche Sprache offensichtlich fremd, so daß ein Schwelgen im Brechtschen Text nicht möglich war, sondern eher ein bemühtes Hersagen entstand. Und zum zweiten hat sie zwar eine wunderbare Stimme, in ihrer Rauheit gerade auch für dieses Stück, aber leider fehlt ihr die nötige Höhe, was zu sicht- und hörbarer Anstrengung führte. Was für eine wunderbare Sängerin sie ist, wenn sie das tut, was ihre musikalische Heimat ist, bewies die Zugabe. Innig, leidenschaftlich, stimmlich perfekt machte sie neugierig auf die Musik des Fado. Ihr zur Seite als kommentierende Familie stand das Ensemble AMARCORD aus Leipzig. Die wiederum waren perfekt besetzt. Die ehemaligen Thomaner sangen punktgenau und spritzig und ernteten manchen Lacher.

Ein stimmiges Konzept, das diese Reihe einmal mehr bestätigt. KS