Daß
Salomé ein leidenschaftlich hassender, sich auf Kosten anderer durchsetzender
Mensch war, ist spätestens seit Richard Strauss' gleichnamiger Oper allseits
anerkannt. Aber es gibt auch ein anderes Bild dieser jungen Frau. Das
einer großen Liebenden, die für diese Liebe alles tut, deren Gefühle sogar
einen Propheten betören, und die sich lieber selbst tötet, als ohne den
Geliebten weiter zu leben. So zeichnete Gustave Flaubert die Salomé, und
so schuf Jules Massenet seine Oper.
Aber
auch bei Massenet darf der große Haß nicht fehlen, der Motor für so viele
Dramen ist. Nur ist es bei ihm die Mutter Hérodiade, die eifersüchtig
auf die Begierde ist, mit der ihr Mann Hérode Salomé verfolgt. Und so
wird sie, die lange nicht weiß, daß Salomé ihre Tochter ist, zur Titelheldin
der Oper.
Eine
Paraderolle für eine starke Stimme und eine starke Darstellerin. Im ersten
Sonntagskonzert des MÜNCHNER RUNDFUNKORCHESTERs fand sich diese in der
Ausprägung von Agnes BALTSA. Kalt und hochmütig, mit schneidender Stimme,
gestaltete sie die Königin, deren Leben sich durch das Auftauchen einer
vermeintlichen Nebenbuhlerin völlig verändert. Und wie man sich schon
bei Frau Baltsa eine szenische Aufführung wünschte, in der sie diese Gefühlswelten
noch intensiver zum Ausdruck bringen könnte, so auch bei den anderen hervorragend
besetzten Rollen.
Allen
voran bei Barbara HAVEMAN als Salomé, die in ihrer Kindlichkeit und Inbrunst
nicht nur ihren Jean überzeugte, der als Prophet selbstbewußt und seiner
Sache sicher von Nikolai SCHUKOFF gegeben wurde. Oder auch Vladimir CHERNOV,
dessen Hérode hin und her gerissen ist zwischen Krieg und alles besitzen
wollender und einfordernder Leidenschaft. Besonders stark auch Nicolas
TESTÉ als Sterndeuter Phanuel, der nicht zuletzt mit seiner klaren tiefen
Stimme und wunderbarer Diktion der ruhende Pol der Oper ist.
Marcello
Viotti, der diese Massenet-Reihe, die letzte Saison mit der "Manon" begann,
noch konzipierte, hätte sich über den Erfolg an diesem Abend sicher sehr
gefreut. Statt seiner war nun Jun MÄRKL am Pult und fühlte mit dem Rundfunkorchester
allen Emotionen nach, von Massenszenen, über Tempeltänze, von Eifersucht
bis zu leise innig deklamierter Liebe. KS
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