Es
scheint, daß der 130. Psalm „De profundis clamavi“ immer dann die Komponisten
angeregt hat, wenn es Schweres zu verarbeiten galt. Sei es Tod, Krieg
oder Vertreibung. Aber wen wundert’s, bei den Worten „Aus der Tiefe rufe
ich, Herr, zu Dir, Herr höre meine Stimme“?
Da
kann es auch nicht wundern, daß ein Konzert, das sich nur mit Vertonungen
dieses Psalms befasst, einen eher dunklen Grundton hat. Beeindruckend
ist es trotzdem allemal, wenn die Reihe Paradisi Gloria des MÜNCHNER RUNDFUNKORCHESTERS
diese Umsetzungen auslotet.
So
schrieb Josquin des Prez 1515 sein Werk für fünfstimmigen Chor a capella
anläßlich des Todes Ludwigs des XII. Bei Orlando di Lasso hingegen war
der Grund für seine Bußpsalmen von 1559/60, in gleicher Besetzung wie
bei Josquin, etwas profaner in der Verschwendungssucht seines Mäzens Herzog
Albrecht V. von Bayern und dessen öffentlicher Buße zu suchen. Beiden
Komponisten gelingt es, die bittend verzweifelte Haltung des Textes darzustellen,
was der CHOR DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS überzeugend interpretiert.
Marcel
Dupré hat sein Werk gegen Ende des 1. Weltkrieges geschrieben, für alle
Soldaten, die für das Vaterland gefallen sind. Hierbei bestechen besonders
der innige Sopran von Helen NEEVES und der leuchtende Tenor von Matthew
BEALE, während Colin CAMPBELLs Baß das Sonore vermissen läßt. Aber im
Wechselspiel der Solisten mit dem Chor paßt sich auch dieses Werk in die
Stimmung des Abends ein. Das Ende des 2. Weltkrieges ist bestimmend für
Arthur Honeggers 3. Symphonie, die Symphonie liturgique, deren 2. Satz
ebenfalls „de profundis clamavi“ überschrieben ist. Dieser leise und verhalten
beginnende Satz steigert sich zwischenzeitlich zu einer rauschhaften Gewalt,
die an die akustischen Grenzen der Herz-Jesu-Kirche reicht, und den das
Rundfunkorchester wunderbar ausbalanciert.
Als
jüngstes Werk kommt Arvo Pärts „De profundis“ für Männerchor, Schlagzeug
und Orgel zur Aufführung. Bei Pärt steht das Werk für seine Emigration
aus dem sowjetisch bestimmten Estland. Der Männerchor hat hier einen Klang,
wie man ihn in der russisch-orthodoxen Liturgie erwarten würde, aber durch
den Einsatz von Schlagzeug, Röhrenglocken und Orgel bricht diese Struktur
eindrucksvoll auf.
Marcello
VIOTTI gelingt mit diesem Programm eine Reise durch die Tiefen der Menschheitsgeschichte,
die zeigt, wie nahe sich die Zeiten im Angesicht von Katastrophen sind.
KS
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