Die
Mittsommernacht hoch im Norden mit ihrem fahlen, nicht enden wollendem
Licht, bringt die Abgründe in den Menschen zum Ausbruch. So zumindest
in dem Schauspiel „Fräulein Julie“ von August Strindberg, und so auch
in der gleichnamigen Kammeroper des gebürtigen Italieners und Wahlnorwegers
Antonio Bibalo.
Drei
Personen begegnen sich auf der Bühne. Fräulein Julie, die Tochter des
Grafen, die sich ihrer Stellung im Leben nicht sicher ist, von der Mutter
beinahe wie ein Junge erzogen wurde und mit einem gespaltenen Verhältnis
zu Männern, trifft auf den Diener Jean. Dieser träumt von einem Hotelbesitz
in der Schweiz, ist zugleich untergeordnet und nach Höherem strebend.
Und die stille Kristine, die Verlobte von Jean, freundlich und genügsam
in ihrer Rolle als Hausangestellte. Das erotische Dreieck der Nacht endet
auch hier, wie bei Strindberg, mit dem Selbstmord von Julie.
Die
Bayerische Theaterakademie zeigt das Werk als eine Arbeit des Regiestudiengangs
in der Reaktorhalle. Dina KELLER und ihre Bühnenbildnerin Andrea WAGNER
siedeln das Stück in einer kargen Küche an, deren Mittelpunkt eine graue
Wand mit vielen Klappen ist. Dahinter verbergen sich, wie in Räumen der
Seele, einzelne Attribute der Personen. Sie werden herausgezerrt, auf
den Boden geworfen, die Klappen geöffnet, beleuchtet und wieder geschlossen.
Die symbolische Bedeutung ist klar, trotzdem wirkt die viele Unruhe manchmal
unmotiviert. Schlüssig und als Bild schön wird es, wenn Kristine gegen
Ende beginnt an der Bühnenseite eine Wäscheleine wie in Trance kreuz und
quer über den Weg zu spannen. Aus diesem Labyrinth entkommt niemand.
Bibalos
Musik mit der ungewöhnlichen Besetzung eines um einen Baß erweiterten
Streichquartetts und eines Klaviers, schafft eine aufgeraute, spröde Atmosphäre,
die nur manchmal vom Klavier einen weicheren Charakter erhält. Ulrich
NICOLAI dirigiert das ARCIS ENSEMBLE der Musikhochschule.
Die
Sänger sind mit der vollstimmigen Hale AL ORFALI als Fräulein Julie, Michael
KILIAN als Jean und der Gesangstudentin Sabine LAHM gut besetzt, nur hätte
man ihnen gewünscht, daß die Abgründe und Brüche der Figuren nicht nur
stimmlich motiviert wären, sondern auch in der Personenführung noch mehr
zum Tragen gekommen wären, bei diesem Stück Musiktheater, dem es nicht
ganz gelingt, die dramatische Vorlage zu erreichen. KS
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