Wie
spannend und kurzweilig (Inszenierung) und faszinierend (Dirigat) Barockoper
sein kann, zeigte das Ensemble des Gärtnerplatztheaters mit dieser Ausgrabung.
Anläßlich der Feierlichkeiten zu „350 Jahre Oper in München“ und dem zweihundertfünfzigjährigen
Bestehen des Rokokojuwels Cuvilliéstheater führte man im Rahmen einer
„Residenzwoche München“ diese Oper des damaligen Hofkomponisten Giovanni
Battista Ferrandini zum zweiten Mal seit ihrer Uraufführung in München
auf. Zusammen mit einem großen Fest und Feuerwerk wurde das Werk seinerzeit,
vor 250 Jahren, zum 26. Geburtstag seiner Kurfürstlichen Durchlaucht Max
III. Joseph und zur Eröffnung des neuen Cuvilliéstheaters gespielt.
Heutzutage
verzichtete man auf Fest und Feuerwerk (zum Bedauern einiger Zuschauer)
und gab sich ganz dem sprühenden musikalischen Füllhorn der NEUEN MÜNCHNER
HOFKAPELLE unter Christoph HAMMER hin: Welch’ ein Genuß und welch’ eine
Delikatesse! Auf der Bühne plaziert, auf historischen Instrumenten spielend,
ließen die Musiker Ferrandinis Komposition in allen Farben erblühen, entfalteten
ein manchmal rasantes Tempo und bereiteten so den Sängern und deren zum
Teil wahnwitzigen Koloraturen einen perfekten Klangteppich.
Auf
der verbleibenden eher kleinen Spielfläche postierte Regisseur Peer BOYSEN
die Darsteller in großen Sesseln und ließ sie auf einem in den Zuschauerraum
führenden Steg und im Parkett agieren. Durch diese „Nähe“ wurde das Publikum
in das virtuose (Schau-) Spiel der Darsteller quasi mit einbezogen:
Kobie
van RENSBURG als größenwahnsinniger Catone mit stählerner Tenorstimme
und profunden Koloraturen; sein Gegenspieler Cesare, ein schicker, blasiert-arroganter
Dressman, Robert CROWE animierte mit seinem strahlenden Sopran und brillanten,
halsbrecherischen Koloraturen die Zuschauer mehrmals zu begeisterten Bravi.
Etwas
blass blieb der unglückliche Numiderfürst Arbace (Johnny MALDONADO). Fulminant
dagegen Cäsars opportunistischer Getreuer Fulvio (Florian SIMSON). Auch
die Damen Marzia, Tochter Catones, (Simone SCHNEIDER) und Emilia, Witwe
des von Cäsar ermordeten Pompejus, (Sandra Moon) berührten mit lyrischem
Espressivo und temperamentvoller Attacke. Letzteres sogar buchstäblich,
wenn Sandra Moon als rächende Witwe mehrmals auf Cäsar mit dem Messer
losgeht.
Der
Lorbeerkranz für diesen packenden Opernabend gebührt aber eindeutig dem
Dirigenten und Musikwissenschaftler Christoph Hammer, der mit archäologischer
Akribie Ferrandinis Werk ausgrub und aus den ursprünglich sechs Stunden
gute dreieinhalb machte. Das ist für heutige Verhältnisse immer noch viel,
zumal, wenn man bedenkt, daß die Oper aus lauter Soloarien (!) besteht.
Fazit:
Barockes Antikentheater auf sehr hohem (musikalischen und szenischen)
Niveau und trotzdem kurzweilig – ganz ohne Comics und Gags. Vielleicht
leistet man sich ja eine Wiederaufnahme in zwei Jahren, wenn die anstehende
Restaurierung des Cuvilliéstheaters abgeschlossen ist. Jakobine Kempkens
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