Um
es gleich vorweg zu nehmen: ja, es gibt sie, die Turmszene, und es ist
definitiv ein musikalischer Höhepunkt dieser Produktion.
Dem
Lüneburger Intendanten Hajo FOUQUET ist insgesamt eine Regiearbeit gelungen
die gerade auch in ihrer fokussierten Schlichtheit überzeugt. Die Inszenierung
erzählt die Geschichte, die von Sir Walter Scott geschrieben und von Gaetano
Donizetti vertont wurde. Punkt. Es wird auf jeglichen Schnickschnack verzichtet,
was gerade auch mit Blick auf die aktuelle Hamburger Produktion eine echte
Wohltat ist.
Stefan
RIECKHOFF, der für Bühnenbild und Kostüme verantwortlich zeichnet, erhält
schon wegen der großartigen Highlandbilder, die auf den Bühnenhintergrund
und die Seitenflächen projiziert wurden, einen Pluspunkt. Die kargen Requisiten
passen sehr gut zur Stimmung der Produktion insgesamt. Vielleicht hätte
man auf das Pferd Edgardos verzichten können, doch es brachte immerhin
Lacher. Die Kostüme erwiesen sich als grundsätzlich zweckmäßig und dem
jeweiligen Charakter angepaßt.
Auf
der Sängerseite hatte der Abend ebenfalls eigentlich fast alles, was man
sich wünschte.
Karl
SCHNEIDER sang Edgardo als hätte er seit Jahren nichts anderes getan.
Am Premierenabend steigerte er sich überdies von Szene zu Szene und gab
Donizettis Helden mit seinem hier ausgesprochen passenden Timbre eine
musikalisch vollendete Darbietung. Den höchst tenoralen Charakter zu zeichnen,
würde dem Sänger vermutlich auch im Schlaf gelingen. Glücklicherweise
wurde hier zugunsten einer recht leidenschaftlichen Interpretation auf
Standardgesten verzichtet.
Ulrich
KRATZ zeichnete Enrico mit einer Reife, die der Figur sonst zumeist fehlt,
Lucias Bruder aber gut zu Gesicht stand. Mit jeder Phrase, jeder Bewegung
wurde die entsprechende Stimmung Enricos aufgezeigt, und gerade die Zerrissenheit
zwischen brüderlichen Gefühlen und Pflicht fand in der erstklassigen gesanglichen
Umsetzung eine adäquate Wiedergabe.
Schlußendlich
wünscht man sich nur, der Sänger würde etwas mehr auf sein Können verlassen.
Ein wenig von der Chuzpe seines Tenorkollegen würde vielleicht die latent
spürbare Anspannung verschwinden lassen.
Die
Turmszene wurde, wie bereits eingangs vermerkt, von beiden Sängern meisterhaft
und mit viel Liebe zum gegenseitigen Kräftemessen gesungen. Dem Abend
wurde so eine zusätzliche Dynamik verliehen, was vom Publikum auch mit
begeistertem Applaus belohnt wurde.
Die
überschwengliche Begeisterung für Ruth FIEDLERs Lucia konnte man indes
nur schwer nachvollziehen. Ja, es war alles hübsch gesungen, auch wenn
man an den Höhen z.T. etwas mäkeln könnte, doch ihrer Figur fehlte es
an Tiefe im Spiel, an Charakter. Es wäre schön, wenn die Sängerin trotz
Belcanto vielleicht etwas mehr Augenmerk auf die Darstellung der Figur
legen würde. Nur ätherisch ist auf Dauer etwas langweilig.
Wlodzimierz
WROBEL war in Gesang und Spiel ein großartiger Raimondo, und so ist es
wirklich schade, daß man ihm das Duett gestrichen hatte.
MacKenzie
GALLINGER gab bei seinem kurzen Auftritt als Arturo der Figur viel Persönlichkeit
und ließ eine interessant timbrierte Stimme hören. Hier hätte man sich
ein längeres Bühnenleben gewünscht. Auch von Kristin DARRAGH (Alisa) hätte
man gern mehr gehört. Marcus BILLEN hatte als Normanno doch etwas zu kämpfen.
Zu machtvoll waren Chor und Orchester streckenweise für seine Stimme.
Eine
der unbestrittenen Meisterleistungen dieser Premiere hörte man von CHOR
und EXTRACHOR. Wie es diesem zahlenmäßig kleinen Klangkörper gelang, einen
stimmlich derart machtvollen Eindruck zu hinterlassen, war über die Maßen
beeindruckend.
Der
neue GMD Thomas DORSCH leitete den Abend erwartungsgemäß sehr gut und
zeigte dabei ebensoviel Gefühl für die italienische Musik wie für sein
Gesangsensemble. Und so präsentierten sich die LÜNEBURGER SYMPHONIKER
bestens disponiert und klangstark, eben wie man es von ihnen gewohnt ist.
Die
Produktion sollte man auf keinen Fall verpassen, ist sie doch ein weiterer
Beweis für die hohe Qualität der Lüneburger Opernproduktionen. AHS
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