Mit
"Dracula" brachte das Theater Lüneburg innerhalb von vier Jahren nach
"Jekyll und Hyde" das bereits zweite Musical von Frank Wildhorn auf die
Bühne. Und auch wenn das Stück weder von der Komposition noch szenisch
an diese Produktion heranreicht, so bewies das Haus doch erneut seine
große Kompetenz in dem Genre.
Die
Regie übernahm Chefdramaturg Friedrich von MANSBERG. Im Großen und Ganzen
ist eine sehr solide (wenngleich nicht immer verständliche) Inszenierung
entstanden, die mit guter Personenführung und Kurzweil durchaus zu gefallen
weiß, allerdings fehlte mir ein klein wenig die düstere Atmosphäre. Die
sicherlich diskussionswürdige, hier aus dem Konzept aber nicht zwingend
hervorgehende Pointe bildete die Erschießung Minas durch ihren Mann Jonathan.
Für
die Ausstattung zeichnet Barbara BLOCH verantwortlich, dessen stylisches
Hotellounge-Bühnenbild an erwähnten "Jekyll" gemahnte. Die Kostüme paßten
dort gut hinein. Dracula wirkte in seinem langen Mantel und der Sonnenbrille
wie Prince (oder wie auch immer der sich gerade nennen mag), und bei van
Helsing kamen mir leichte Assoziationen zu Thomas Gottschalk in den Sinn,
was deren gut choreographierten Kampf mit dem herrlich antiklimaktischen
Ende, eine leicht skurrile Note gab. Unter den Solisten ragten vor allem
Gerd ACHILLES als Dracula und Kristian LUCAS als Jonathan Harker heraus.
Ersterer hat ein etwas verwaschenes Timbre, das nicht so ganz meins ist,
jedoch vermochte er dieses durch eine ausgefeilte Interpretation bestens
vergessen zu machen. Er machte den Unterschied zwischen dem mystischen,
unnahbaren, aber gleichzeitig interessanten Wesen und dem seines bisherigen
Lebens überdrüssigen Menschen jederzeit glaubhaft deutlich.
Kristian
Lucas war ihm ein durchaus ebenbürtiger Gegner, der durch seine etwas
kalte Art sicherlich auch seinen Teil dazu beigetragen hat, daß Mina sich
für Dracula entscheidet. Seine Stimme hat sich seit seinem Marius ("Les
Misérables") vor einigen Jahren sehr positiv weiter entwickelt.
Annabelle
MIERZWA (Lucy) mußte aus mir unerfindlichen Gründen ihren Part angeschickert
absolvieren. Dieses tat sie jedoch sehr ansprechend und überzeugend. Schade,
daß die Rolle so kurz ist.
Die
Besetzung der Partien Mina und van Helsing erwies sich als problematisch,
da beide Interpreten eigentlich Opernsänger sind, was sie natürlich nicht
automatisch zu schlechten Musicaldarstellern macht, hier jedoch schon
eher negativ auffiel. So war mir der Vortrag von Franka KRANEIS zu manieriert,
zu gekünstelt, was auch ihre ansonsten gute Darstellung und Interpretation
nicht so recht wettmachen konnte.
Ungleich
unglücklicher war die Entscheidung, Karl SCHNEIDER den van Helsing anzuvertrauen.
Zwar konnte er in seinem zweiten Song absolut überzeugen, ebenso erwies
er sich als äußerst sicher und mit gutem Timing in den Dialogen, dennoch
wirkte seine doch sehr gutturale Stimme und seine sehr opernhafte Singweise
wie eine Art Fremdkörper, was gerade im Kampf mit Achilles auffiel. Es
ist mir ein Rätsel, weshalb diese Rolle nicht mit Ulrich Kratz besetzt
wurde, welcher sowohl in der Oper als auch im Musical eigentlich immer
eine gute Figur macht.
Daß
es auch anders geht, zeigte MacKenzie GALLINGER, der einen wundervoll
skurrilen Renfield gab und sich einmal mehr als ungemein spielfreudiger
Szenendieb erwies. In den weiteren Rollen ergänzten Steffen NEUTZE (Dr.
Jack Seward), Oliver HENNES, der für Marcus Billen als Quincey Morris
einsprang und Volker TANCKE als Arthur Holmwood solide.
Am
Dirigat des bedauerlicherweise scheidenden GMD Urs-Michael THEUS am Pult
der LÜNEBURGER SINFONIKER gibt es wenig zu kritteln. Einzig und allein
daß die E-Gitarre etwas zu dumpf war, ließe sich anmerken. Der HAUS- und
EXTRACHOR (Deborah COOMBE) lieferte erneut eine solide und homogene Leistung
ab. Letzteres kann man vom BALLETT (Choreographie Kerstin KESSEL) nicht
immer behaupten. Ein bißchen mehr Synchronität wäre schön. WFS
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