Die
erste Premiere der Saison 2012/2013 war Tschaikowskis "Eugen Onegin".
Gespielt wurde die deutsche Version, dessen Übersetzer Wolf Ebermann und
Manfred Koerth über dem Bemühen um sich reimende Verse offenbar vergessen
haben, ob das ganze auch wirklich gut klingt.
Für
die Regie zeichnet der Intendant Hajo FOUQUET verantwortlich. Wirklich
aufregend oder neu war die Inszenierung nun nicht. Es war eine grundsolide
Produktion. Die Idee, daß Tatjana offenbar so etwas wie ein "Groupie"
sein soll, die ihren Brief auf überdimensionalem Papier schreibt, hätte
man weiter ausführen können. Weshalb das Duell offenkundig in einem Raum
stattfindet, und Triquet aussieht wie ein Hofnarr-Azubi, wird das Geheimnis
von Fouquet und seinem Ausstatter Stefan RIECKHOFF bleiben... Die Tatsache,
daß im 6. Bild nicht getanzt wird, ist sicherlich dem Umstand geschuldet,
daß drei Viertel der Bühne von einer Treppe eingenommen werden, und ein
Tanz vermutlich ausgesehen hätte, als würden Forellen in einer Sardinenbüchse
schwimmen.
Die
Figur des Lenski habe ich bisher immer als etwas zurückhaltenden, eher
nachdenklichen Feingeist empfunden, der in der lebensfrohen Olga das findet,
was er in seinem Leben vielleicht ein wenig vermißt. Karl SCHNEIDER war
mir eine Spur zu temperamentvoll. Es war aber dennoch herrlich, mit welcher
Verve er sich in seine Arie reingeschmissen hat.
Mit
der Interpretation von Ulrich KRATZ (Onegin) war ich im ersten Teil nicht
ganz einverstanden. Er kam einfach zu unnahbar herüber. Das ist sicherlich
auch eine wesentliche Eigenschaft, die dieser Figur innewohnt, bei ihm
driftete es jedoch schon fast ins unpersönliche ab, so daß sich mir nicht
so ganz erschloß, was an diesem Dandy nun so interessant sein soll. Das
wandelte sich allerdings komplett in den letzten beiden Bildern, in denen
er leidenschaftlich um die Verlorene kämpfte, ja teilweise schon fast
manische Züge an den Tag legte.
Seine
Tatjana wurde von Sonja GORNIK hingebungsvoll gesungen. Die Wandlung von
dem kleinen verliebten Mädchen zur erwachsenen Frau gelang ihr sehr gut.
Man kaufte ihr diese beiden Seiten jederzeit ab. Es ist bedauerlich, daß
dies ihre letzte Saison in Lüneburg ist. Ab der nächsten Spielzeit wird
sie Linz musikalisch zu beglücken wissen.
An
Hans-Georg AHRENS scheint das Alter spurlos vorbei gegangen zu sein. Sein
Gremin ist für Tatjana vermutlich kein reicher, alter Notnagel. Kristin
DARRAGHs angemessen lebensfrohe Olga machte Lust auf mehr. MacKenzie GALLINGER
sang den Triquet schon fast "zu gut" - ein bißchen mehr "Möchtegern-kann-aber-nicht-tu-aber-so"-Attitüde
darf es gerne sein. Er ist sicherlich ein guter Mozart- und Rossini-Tenor.
Dobrinka
KOJNOVA-BIERMANN gab eine gute Larina, Kirsten PATT eine ältliche Filipjewna.
Wlodzimierz WROBEL (Saretzki) und Steffen NEUTZE (Hauptmann) ergänzten
solide.
Unter
Gernot SAHLERs Leitung ließen die LÜNEBURGER SINFONIKER streckenweise
einen wunderbar süffigen Klang vernehmen. Insgesamt fehlte jedoch etwas
die Spannung und Dynamik, gerade in den orchestralen Steigerungen wie
z. B. der Dämmerung nach Tatjanas Briefszene. Diese dürften gerne drängender
sein. Die kleinen Unsicherheiten zu Beginn des 4. Bildes in den ansonsten
sehr guten Streichern seien der Vollständigkeit halber erwähnt. Der HAUS-
und EXTRACHOR des Hauses unter Deborah COOMBE absolvierte seinen Part
ohne Fehl und Tadel. WFS
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