Als
sich bei Beginn der Vorstellung während der Ouvertüre der Vorhang öffnet,
hat man noch Hoffnung auf eine clevere Inszenierung (Regie: Wolfgang BARTH,
Bühnenbild: Sascha WEIG). Man sieht Sarastro und die Königin als Paar,
das sich an den Händen hält, während sich durch den Hintergrund ein Riß
zieht. Das sieht ästhetisch aus und zeigt die Vorgeschichte klar und deutlich.
Dies blieb dann allerdings auch einsamer Höhepunkt der Regieideen. Im
folgenden wird Tamino von den drei Damen begrabbelt und fällt in Ohnmacht
(eine Schlange gibt es nicht). Pamina wird von Monostatos zweimal beinahe
vergewaltigt, in Sarastros Tempel gibt es phallische Symbole en masse
- nur leider wirken die Priester und ihr Anführer sehr eunuchenhaft.
Nach
meiner Meinung ist es wichtig, daß Tamino und Pamina Feuer- und Wasserprobe
gemeinsam bestehen. Als Tamino mit der Flöte bei der Feuerprobe draußen
bleibt und Pamina allein gehen läßt, machte dies im Rahmen des Regiekonzeptes
von der unterdrückten Weiblichkeit noch Sinn. Dann werden bei der Wasserprobe
jedoch die Rollen getauscht, womit sich der Grund dieser Aufteilung nicht
erschließt. Am Ende reicht Sarastro der Königin, deren Damen und Monostatos
einen Dolch. Letztere vier bringen sich um, während die Königin sich fügt
und zu Sarastro zurückkehrt. Dazwischen ist dem Regisseur nicht sonderlich
viel eingefallen. Das alles wirkt teilweise hilflos, teilweise zwanghaft
auf den sexuellen Aspekt verengt.
Das
Bühnenbild besteht größtenteils aus verschiebbaren Stellwänden, einem
Zwischenvorhang und dem Sonnenkreis, den die Priester gelegentlich abstauben.
Die Kostüme (Sabine MEINHARDT) schwanken zwischen kleidsam (Königin),
wenig aufregend (Priester) und behindernd (Taminos langer Pelzmantel).
Musikalischer
Star des Abends war Ulrich KRATZ als Papageno. Der Bariton ist ein echtes
Phänomen, denn er singt auf gleichbleibend hohem Niveau Macbeth, Tonio,
Pizzaro und wenn es sein muß, auch Operettenknallchargen. Auch bei Mozart
sind hier keine Abstriche zu machen. Überaus beweglich, voller spontan
erscheinender Einfälle in Phrasierung und Spiel und mit in allen Lagen
immer gut sitzender Stimme tobt er durch die Produktion und trägt den
Großteil daran, daß einem nicht zu fad wird. Sein "Ein Mädchen oder Weibchen"
war der absolute Höhepunkt der Vorstellung.
Gerade
in den gemeinsamen Szenen mit diesem Papageno kam Karl SCHNEIDER (Tamino)
aus sich heraus und schien Spaß an der Partie zu entwickeln. Übrigens
allein bei dem Tenor gab es so etwas wie eine nachvollziehbare Entwicklung
vom naiven Prinzchen zum arroganten Sarastro-Anhänger. Er bemühte sich,
die Stimme schlank zu führen, es war jedoch festzustellen, daß er damit
dem eigentlich dramatisch gewordeneren Klang gelegentlich ins Gehege kam.
Seine Pamina (Zdena FURMANCOKOVA) war anfangs erfreulich emanzipiert,
wurde aber am Ende als gebrochener Zombie dargestellt. Gesanglich bot
sie mit voller Stimme ohne technische Probleme berührende Töne.
Der
stimmliche Zustand von Martin EDELBAUER (Sarastro) hat sich nicht verbessert,
eher das Gegenteil ist der Fall. Es sind zahllose brüchige Passagen und
mangelhafte Intonation zu hören. Leider gelingt es auch in der Darstellung
nicht mehr, diese Mängel zumindest aufzuwiegen, denn das Spiel blieb steif.
Evelyn WERNER, mit dem kleidsamsten Kostüm des Abends bedacht (langes,
dunkles Abendkleid, dessen Kragen bei Bedarf beleuchtet werden kann),
war eine königliche Herrscherin der Nacht. Stimmlich bot sie neben einer
bemerkenswerten Wortdeutlichkeit in allen Lagen (!) eine gute Tiefe und
ordentliche Spitzentöne. Nur dazwischen in der oberen Mittellage schien
etwas nicht zu stimmen.
Ihre
drei Damen Sylvia BLEIMUND, Judith BRAUN und Nicole DELLABONA zeigten
Klasse im Auftreten und im Gesang, wo sie sowohl einzeln als auch gemeinsam
vollständig überzeugen konnten. Elena ZEHNOFF nutzte ihren kurzen Auftritt
als Papagena, um als entzückendes energisches Persönchen in Erinnerung
zu bleiben. Der Monostatos von Arno BOVENSMANN, der von der Regie besonders
mit Anspielungen sexueller Gewalt gebeutelt worden war, schaffte es trotzdem,
durch schöne lyrische, gut phrasierte Töne Sympathien zu erwecken.
Der
Sprecher Markus PAUL hinterließ hinsichtlich der Kultiviertheit von Sprache
und Gesang zusammen mit einer schöntimbrierten Stimme einen überaus positiven
Eindruck. Gleiches gilt für Wlodzimierz WROBEL (2. Geharnischter, 3. Priester),
während Marcus BILLEN (2. Priester) nicht an ihn heranreichte, und Ferdinand
STEINHÖFEL (1. Priester, 1. Geharnischter) einige sehr unschöne Töne hören
ließ.
Die
drei Sklavinnen Elke TAUBER, Dobrinka KOJNOVA-BIERMANN und Kirsten PATT
wirken unangenehm aufdringlich, während die drei Knaben zwar nicht tonschön
sangen, dafür aber höchst engagiert im Spiel und einfach knuffig waren.
Die
LÜNEBURGER SINFONIKER unter Urs-Michael THEUS spielten einen flotten Mozart,
der wenigstens orchestral keine Langeweile aufkommen ließ, zudem wurden
die Sänger optimal begleitet. Der HAUS- und EXTRACHOR machte seine Sache
gut (Einstudierung Deborah COOMBE).
Die
Vorstellung hinterläßt auch dadurch einen wenig erfreulichen Beigeschmack,
da sie an einem Nachmittag stattfand und zahlreiche Kinder und Jugendliche
anwesend waren ("Zauberflöte" ist, Apoll und alle seine Musen mögen wissen
warum, noch immer das Stück, mit dem Erwachsene Kindern die Oper nahezubringen
versuchen). Ob man ein so junges Publikum wirklich mit derart zwanghaft
ausgeführten sexuellen Anspielungen konfrontieren muß, bleibt für mich
fragwürdig. MK
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