Das
Theater Lüneburg hat das „Schauspiel mit Musik“ von Pam Gems auf den Spielplan
gesetzt, welches sich mit dem Leben von Edith Piaf befaßt. Nur leider
wird es diesem überaus bewegten Leben in keiner Weise gerecht. Es werden
verschiedene Stationen im Leben der Sängerin abgearbeitet, aber alles
bleibt Episode, keine Figur gewinnt wirkliches Profil; der Titelrolle
scheint es nur aufgrund der Darstellerin zu gelingen. Es ist auch selten
vollkommen klar, in welcher Phase des Lebens von Piaf man sich gerade
befindet, oder salopp ausgedrückt: wer ist denn der Kerl schon wieder,
der da an ihr herumfummelt? Die Dialoge sind teilweise reichlich banal,
während das Publikum jede Obszönität mit Gelächter quittiert.
Die
Inszenierung von Helga WOLF trägt nicht unbedingt zum weiteren Verständnis
bei, stört aber ebensowenig wie das Bühnenbild von Barbara BLOCH und die
Kostüme von Sabine MEINHARDT.
Das
COMBO genannte kleine Orchester bestehend aus Violine, Klarinette/Saxophon,
Trompete/Flügelhorn, Posaune, Drums, Baß, Klavier und Akkordeon unter
der Leitung von Alexander EISSELE könnte etwas schmissiger spielen.
Viel
Möglichkeit zur Profilierung haben die Darsteller der Nebenrollen nicht.
Sie bleiben unauffällig wie Claudine TADLOCK als Madeleine und Krankenschwester,
Uwe SERAFIN in fünf, Harro KORN in drei und Marc WESTPHAL in sechs Rollen.
Olaf PASCHNER kann sich ein wenig mehr in den Vordergrund spielen, bleibt
jedoch ebenso letztlich Staffage wie Kristian LUCAS, der aber immerhin
durch seinen Auftritt als nicht singen könnender Angelo und Piafs letzten
Ehemann Theo in Erinnerung bleibt.
Die
zweite größere weibliche Rolle besteht aus der Doppelrolle von Toine,
Piafs Freundin aus Gossentagen und Marlene Dietrich. Während Agnes MÜLLER
in ersterer Rolle immerhin ein paar Szenen hat, in denen die Figur Konturen
gewinnen kann, ist sie als Marlene, die wohl hier als preußisch-disziplinierter
Gegenentwurf zur Piaf gedacht ist, eine glatte Fehlbesetzung. Da fehlt
es an Klasse, und „Milord“ muß man von ihr nicht wirklich hören, vor allem
nicht, nachdem es zuvor schon die Hauptdarstellerin gesungen hatte.
Zum
großen Glück hat das Theater Lüneburg jedoch für die Titelrolle Asita
DJAVADI – und sie ist absolut grandios. Man glaubt, die Piaf tatsächlich
zu hören. Jedes Chanson lebt, hat seine eigene Stimmung. Die Stimme gerät
niemals in die Gefahr, kitschig oder angestrengt zu klingen. Sie singt
einfach mit viel Herz und Power, und es man muß fast befürchten, daß Frau
Djavadi am Ende sich ähnlich verausgaben könnte, wie es Piaf in ihrem
Leben tat. Zudem ist sie die einzige auf der Bühne, die einen echten Menschen
darstellt. Eine großartige Leistung!
Es
hätte ein großer Abend werden können, hätte man Asita Djavadi die Bühne
allein überlassen mit gesprochenem Text und den unsterblichen Chansons
der Piaf... MK
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