Um
auf Nummer Sicher zu gehen, wählte Günter NEUMANN für seine erste Inszenierung
ein kleines Theater, um nicht an einem großen Haus mit Pauken und Trompeten
durchzufallen. Er entschied sich für das Theater Lüneburg (schon, weil
zwei seiner Schüler dort engagiert sind: Zdena Furmancockova und Karl
Schneider). Es gilt festzustellen, dass er während seiner langjährigen
Zusammenarbeit mit Harry Kupfer an der Komischen Oper Berlin doch so einiges
mitgenommen hat.
Nach
einem eher mittelmäßigen Beginn mit Puccinis Gianni Schicchi (s. Kritik),
stand Leoncavallos „Der Bajazzo“ auf dem Programm. Diese Inszenierung
besticht v.a. durch ihre Personenführung. Canio ist ein in die Jahre gekommener
Star, Nedda eine junge, ballettbegeisterte Frau und Tonio das geifernde
Ekelpaket. Bei letzterem hätte ich mir jedoch entweder einen übermäßig
noblen Anzug oder etwas heruntergekommene Kostümierung gewünscht, damit
sein Charakter noch deutlicher wird. Das Bühnenbild entwarf Barbara BLOCH.
Daran wunderte mich lediglich, dass im Hintergrund eine Art Tor mit Vorhang
zu sehen war, auf dem „Teatro“ stand – dabei treten die Komödianten doch
erst zu Beginn der Oper auf und sind noch nicht da. Sabine MEINHARDTs
Kostüme passten mit erwähnter Ausnahme gut in das Konzept hinein.
Almuth
Marianne KROLLs Stimme ist mir persönlich zu bieder, zu wenig opernhaft,
dennoch schlug sie sich wacker als Nedda. Zu erwähnen ist auch, dass sie
offenbar mal Ballett-Unterricht genommen hat, denn es sah recht gekonnt
aus, wie sie sich an der Stange verrenkte.
Ulrich
KRATZ sang den Tonio mit einer nahezu heldentenoralen Attitüde. Er stellte
einen schön bösen Charakter auf die Bühne. Sehr gut war auch sein differenzierter
Prolog. Sein Vortrag litt jedoch darunter, dass die Aufführung auf Deutsch
war, was eindeutig aus jedem italienischen Stück ein gutes Stück Tempo
nimmt.
Günter
NEUMANN ließ es sich nicht nehmen, neben seiner Regietätigkeit auch noch
als Sänger in Erscheinung zu treten. Auch wenn man stimmlich Abnutzungserscheinungen
zu attestieren hat, gelang ihm ein sehr intensives Portrait des Canio,
das von zarten Piano-Passagen hin zu vokal entstellten Fortissimo-Ausbrüchen
reichte, die jedoch nie zum Selbstzweck gerieten, sondern stets der Interpretation
untergeordnet waren. Eine durchaus beachtliche Leistung.
Zwar
sang Marcus BILLEN (Beppo) seine „Arie“ im zweiten Akt sehr differenziert,
aber mit seiner Stimme kann ich mich überhaupt nicht anfreunden. Ferdinand
STEINHÖFEL (Silvio), Thomas FRANKE und Alexander PANITSCH (Dorfbewohner)
sind eher unter „ferner liefen“ einzuordnen.
Die
relativ gute Leistung des „Schicchi“ konnte Michael SCHMIDTSDORFF (1.
Kapellmeister) mit den LÜNEBURGER PHILHARMONIKERN leider nicht wiederholen.
Zwar ist es erfreulich, daß auch in der „Provinz“ die Orchester zusammenspielen
können, aber es fehlte die große Linie, es wirkte gelegentlich etwas abgehackt.
Schade auch, daß der meistens sehr eindringliche Cello-Schlußton im „Vesti
la giubba“, bzw. „Hüll’ dich in Tand“ viel zu schnell endete.
Der
CHOR (Deborah COOMBE) meisterte seine Einsätze solide.
Bleibt
noch eine Frage zu klären: Warum heißt „I Pagliacci“ (Plural) in der deutschen
Übersetzung eigentlich „Der Bajazzo“ (Singular)...? Wolfgang Schmoller
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