"DIE GROSSHERZOGIN VON GEROLSTEIN" - 12.10.2002

Wenn man eine echte Jacques Offenbach-Operette sehen möchte, muß man sich schon umschauen, denn an den großen Häusern wird ja eigentlich nur der "Hoffmann" gespielt. Das liegt in der Hauptsache daran, daß es an diesen Theatern nicht das gibt, was man für diese Musik braucht: ein spielfreudiges Ensemble. Das findet man am ehesten in der Provinz. So brachte das Theater Lüneburg "Die Großherzogin von Gerolstein" in der letzten Spielzeit auf den Spielplan. Wie in wohl jedem seiner Bühnenwerke findet man eine Menge Gesellschaftskritik und viele musikalische Zitate, sogar seine eigene Barcarole taucht auf, in einer leicht modifizierten, köstlichen Version.

Der Inhalt ist reichlich konfus: General Bumm ist in Wanda verliebt, die wiederum mit Grenadier Fritz liiert ist. Die Großherzogin (Hortense Schneider), die eigentlich Prinz Paul heiraten soll, tritt auf und verliebt sich prompt in Fritz, der daraufhin mit Ämtern überhäuft wird bis hin zum General, was Bumm nicht gefällt, da er seine Position gefährdet sieht. Fritz zieht in den von Baron Puck, der auf Seiten Pauls steht, entfachten Krieg und gewinnt. Die Großherzogin macht Fritz nun Avancen, aber Fritz liebt immer noch Wanda. Sein Ehegesuch wird akzeptiert, doch die Herrscherin will sich rächen. Baron Woywode Grog wirbt für Paul um ihre Hand. Wegen ihm erklärt sie sich einverstanden und läßt die Rache Rache sein. Bumm, Puck und Paul bleiben bei ihren Plänen, stören die Hochzeitsnacht und verprügeln Fritz. Die Großherzogin degradiert ihn nun. "Wenn man nicht haben kann, was man liebt, muß man eben lieben, was man hat", so das Fazit dieses kurzweiligen Abends.

Die Inszenierung stammt von R. A. GÜTHER. Er ließ die Handlung in einem Theater spielen. Manchmal geschieht ihm das, was bei Offenbach eigentlich nicht passieren sollte: er übertreibt. Manchmal ist weniger eben mehr, gerade bei Offenbach Das spielt sich aber in einem durchaus noch vertretbaren Rahmen ab. Nur die Figur des stotternden Nepomuk empfand ich als zu aufdringlich. Zusammen mit der Dramaturgin Susanne BIELER wurde das Ensemble, in dem Paul seine potentielle Anvertraute anfleht, ihn doch zu ehelichen, stellenweise modernisiert, und wodurch tagespolitische Ereignisse kommentiert werden konnten. Bühnenbild und Kostüme wurden von Ingrid BURMEISTER zweckdienlich und zeitgemäß entworfen.

In der Rolle der Großherzogin überzeugte Jennifer STEPHENS. Sie gestaltete die Adlige mit dem richtigen Maß an Hochmut, Verzweiflung und nahezu nymphomaner Verliebtheit. Leider verliert sie gelegentlich die Kontrolle über ihre Stimme. "Ihr" Grenadier Fritz war mit Karl SCHNEIDER auch durchaus hörenswert besetzt. Trotzdem hörte man den einen oder anderen unschönen hohen Ton.

Mit ausladendem Vibrato sang der Baß Martin EDELBAUER den kriegerischen General Bumm. Stimmlich vermochte er nicht zu überzeugen, dafür war er schauspielerisch umso besser. Am ehesten traf Friedrich VON MANSBERG das Idiom Offenbachs. Er führt seinen schönen, leichten Mozart-Tenor sicher durch die Partie des buhlenden Prinzen Paul. Mit einem glockenhellen Sopran glänzte Zdena FURMANCOKOVA als Wanda. Für sie war die Partie viel zu kurz. Technisch hatte sie keinerlei Probleme und auch die Höhen kamen sicher. Uwe SALZMANN blieb als Puck weitgehend unauffällig. Mit klassischem Krähtenor bewältigte Marcus BILLEN den Part des Nepomuk. Wie bereits erwähnt wirkte er auf mich eher nervig als komisch.

Nach anfänglichen Schwierigkeiten im Zusammenbleiben, lieferte auch das BALLETT des Theaters eine sehenswerte Leistung, sofern ich das beurteilen kann. Vor allem der Can-Can im 3. Akt war herrlich temperamentvoll und erntete langen Beifall.

Aus dem Orchestergraben tönten manchmal seltsame Harmonien, gerade bei den Bläsern. Auch drohte nicht selten ein Schmiß bei den großen Tutti-Szenen mit dem sonst guten HAUS- und EXTRACHOR unter Deborah COOMBE. Ansonsten hielt Tjaard KIRSCH die LÜNEBURGER SINFONIKER meistens zusammen. Man hätte sich zwar gewünscht, daß er aus der Partitur mehr herausholt, muß ihm aber zugute halten, daß die Akustik sehr dumpf und das Orchester sehr dünn besetzt ist. Alles in allem war es ein sehr vergnüglicher Abend, der mir Lust auf mehr an diesem Haus machte. Mich wunderte aber schon, daß die Auslastung an diesem Abend (wohlgemerkt, es war ein Samstag) bei etwa zwei Drittel lag. Wolfgang Schmoller