Wenn
man eine echte Jacques Offenbach-Operette sehen möchte, muß man sich schon
umschauen, denn an den großen Häusern wird ja eigentlich nur der "Hoffmann"
gespielt. Das liegt in der Hauptsache daran, daß es an diesen Theatern
nicht das gibt, was man für diese Musik braucht: ein spielfreudiges Ensemble.
Das findet man am ehesten in der Provinz. So brachte das Theater Lüneburg
"Die Großherzogin von Gerolstein" in der letzten Spielzeit auf den Spielplan.
Wie in wohl jedem seiner Bühnenwerke findet man eine Menge Gesellschaftskritik
und viele musikalische Zitate, sogar seine eigene Barcarole taucht auf,
in einer leicht modifizierten, köstlichen Version.
Der
Inhalt ist reichlich konfus: General Bumm ist in Wanda verliebt, die wiederum
mit Grenadier Fritz liiert ist. Die Großherzogin (Hortense Schneider),
die eigentlich Prinz Paul heiraten soll, tritt auf und verliebt sich prompt
in Fritz, der daraufhin mit Ämtern überhäuft wird bis hin zum General,
was Bumm nicht gefällt, da er seine Position gefährdet sieht. Fritz zieht
in den von Baron Puck, der auf Seiten Pauls steht, entfachten Krieg und
gewinnt. Die Großherzogin macht Fritz nun Avancen, aber Fritz liebt immer
noch Wanda. Sein Ehegesuch wird akzeptiert, doch die Herrscherin will
sich rächen. Baron Woywode Grog wirbt für Paul um ihre Hand. Wegen ihm
erklärt sie sich einverstanden und läßt die Rache Rache sein. Bumm, Puck
und Paul bleiben bei ihren Plänen, stören die Hochzeitsnacht und verprügeln
Fritz. Die Großherzogin degradiert ihn nun. "Wenn man nicht haben kann,
was man liebt, muß man eben lieben, was man hat", so das Fazit dieses
kurzweiligen Abends.
Die
Inszenierung stammt von R. A. GÜTHER. Er ließ die Handlung in einem Theater
spielen. Manchmal geschieht ihm das, was bei Offenbach eigentlich nicht
passieren sollte: er übertreibt. Manchmal ist weniger eben mehr, gerade
bei Offenbach Das spielt sich aber in einem durchaus noch vertretbaren
Rahmen ab. Nur die Figur des stotternden Nepomuk empfand ich als zu aufdringlich.
Zusammen mit der Dramaturgin Susanne BIELER wurde das Ensemble, in dem
Paul seine potentielle Anvertraute anfleht, ihn doch zu ehelichen, stellenweise
modernisiert, und wodurch tagespolitische Ereignisse kommentiert werden
konnten. Bühnenbild und Kostüme wurden von Ingrid BURMEISTER zweckdienlich
und zeitgemäß entworfen.
In
der Rolle der Großherzogin überzeugte Jennifer STEPHENS. Sie gestaltete
die Adlige mit dem richtigen Maß an Hochmut, Verzweiflung und nahezu nymphomaner
Verliebtheit. Leider verliert sie gelegentlich die Kontrolle über ihre
Stimme. "Ihr" Grenadier Fritz war mit Karl SCHNEIDER auch durchaus hörenswert
besetzt. Trotzdem hörte man den einen oder anderen unschönen hohen Ton.
Mit
ausladendem Vibrato sang der Baß Martin EDELBAUER den kriegerischen General
Bumm. Stimmlich vermochte er nicht zu überzeugen, dafür war er schauspielerisch
umso besser. Am ehesten traf Friedrich VON MANSBERG das Idiom Offenbachs.
Er führt seinen schönen, leichten Mozart-Tenor sicher durch die Partie
des buhlenden Prinzen Paul. Mit einem glockenhellen Sopran glänzte Zdena
FURMANCOKOVA als Wanda. Für sie war die Partie viel zu kurz. Technisch
hatte sie keinerlei Probleme und auch die Höhen kamen sicher. Uwe SALZMANN
blieb als Puck weitgehend unauffällig. Mit klassischem Krähtenor bewältigte
Marcus BILLEN den Part des Nepomuk. Wie bereits erwähnt wirkte er auf
mich eher nervig als komisch.
Nach
anfänglichen Schwierigkeiten im Zusammenbleiben, lieferte auch das BALLETT
des Theaters eine sehenswerte Leistung, sofern ich das beurteilen kann.
Vor allem der Can-Can im 3. Akt war herrlich temperamentvoll und erntete
langen Beifall.
Aus
dem Orchestergraben tönten manchmal seltsame Harmonien, gerade bei den
Bläsern. Auch drohte nicht selten ein Schmiß bei den großen Tutti-Szenen
mit dem sonst guten HAUS- und EXTRACHOR unter Deborah COOMBE. Ansonsten
hielt Tjaard KIRSCH die LÜNEBURGER SINFONIKER meistens zusammen. Man hätte
sich zwar gewünscht, daß er aus der Partitur mehr herausholt, muß ihm
aber zugute halten, daß die Akustik sehr dumpf und das Orchester sehr
dünn besetzt ist. Alles in allem war es ein sehr vergnüglicher Abend,
der mir Lust auf mehr an diesem Haus machte. Mich wunderte aber schon,
daß die Auslastung an diesem Abend (wohlgemerkt, es war ein Samstag) bei
etwa zwei Drittel lag. Wolfgang Schmoller
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