Unsere
Begeisterung darüber, daß Anthony PILAVACHI ausgerechnet Lortzings "Der
Wildschütz" in Szene setzen sollte, war, sagen wir einmal, minimal optimistisch.
Einerseits wer, wenn nicht er, sollte dem Stück zu dem dringend benötigten
Schwung verhelfen? Andererseits gehört Lortzing nicht wirklich zu unseren
Lieblingskomponisten.
Kurz
gesagt, Schwung hat diese Produktion, nicht allein durch Pilavachis Regie,
sondern auch durch die Sänger - seine Längen hat das Stück für uns leider
trotzdem, wofür aber niemand kann.
Die
Inszenierung siedelt das Stück irgendwo zwischen Heimatfilm, Operette
und Mozarts "Le nozze di Figaro" an. Der gesamte Abend bewegt sich haarscharf
an der Linie zum Haudrauf-Humor, dankenswerterweise ohne diese tatsächlich
zu überschreiten.
Der
Regisseur hat das Stück zudem nach Ostpreußen in das Jahr 1933 verlegt.
Lange denkt man darüber nach, weshalb (dieser eine kurze, wenn auch gute
Dialog kann es kaum gewesen sein), bis einem bei der Ensemble-Zeile "Daß
eh' wir schuldbewußt; unschuldig sind wir alle." das Lachen im Hals stecken
bleibt.
Die
leicht verworrene Geschichte um getauschte Identitäten und Beziehungswirren
dreht sich zum Einen um den Schulmeister Baculus, der sich für das Festmahl
seiner bevorstehenden Hochzeit mit Gretchen erfolglos als Wilddieb profilieren
wollte. Zum Anderen geht es um das Beziehungsgeflecht zwischen dem Grafen
von Ebersbach, dessen Frau und deren Bruder, wobei letzterer inkognito
auf dem Gut als Verwalter agiert, sowie der Schwester des Grafen, die
verkleidet anreist, um besagten Bruder der Gräfin, ihren möglichen Bräutigam
vorab zu begutachten. Leute, die behaupten Verdis "Trovatore" oder "Forza"
wären verwirrend, haben den "Wildschütz" noch nicht gesehen…
Als
Schulmeister wandelt Taras KONSHCHENKO die meiste Zeit so leichtfüßig
und auch stimmlich leicht über die Bühne, daß dem Zuschauer bei "Fünftausend
Taler" teils ob der kompletten Wandlung der Figur, teils wegen der beeindruckend
dunkel und kraftvoll klingenden Stimme der Mund offenstehenbleibt. Leonor
AMARAL holte aus ihrer recht plakativen, soubrettig angelegten Partie,
was möglich war, und machte aus Gretchen eine Art Flapper der zwanziger
Jahre. Das tat der Rolle ebenso gut wie der Punkt, daß ihre Stimme eigentlich
schon über dieses Fach hinaus sein dürfte.
Steffen
KUBACH verlieh dem Grafen einen Hauch von "Nozze"-Conte, nutzte aber auch
seine großen Stärken Komik und Timing, um dem Charakter Tiefe zu geben.
Wenigen Sängern ist es gegeben, entsprechende Rollen auch musikalisch
gleichzeitig tragisch und saukomisch zu gestalten. Hier hörte man ein
perfektes Beispiel. Kaja PLESSING gab eine herrlich verschrobene Gräfin
mit Hang zur griechischen Tragödie und jungen Männern. Die Tragik, die
sie der Figur jenseits allen Spaßes gab, beeindruckte.
Evmorfia
METAXAKI besticht in jeder Rolle. Hier bot sie gleich mehrere in einer
Figur dar. Ob als Handwerksbursch, ob als "Unschuld vom Lande" oder als
verwitwete Baronin Freimann - sie schoß schlicht den Vogel ab. Daniel
JENZ gestaltete den Baron Kronthal schönstimmig und mit viel Liebe zum
humorvollen Charakterisierung.
Dietrich
NEUMANN schlurfte als Haushofmeister Pankratius rollenkonform über die
Bühne, war aber stets präsent und nicht halb so trottelig wie die Figur
auf den ersten Blick scheinen mochte. Annette HÖRLE machte als Kammermädchen
der Baronin im Burschenkostüm eine ausgesprochen gute Figur.
CHOR
und EXTRACHOR (Leitung: Joseph FEIGL) erfüllten unterstützt vom Kinder-
und Jugendchor VOCALINO (Leitung; Gudrun SCHRÖDER) die musikalischen und
szenischen Aufgaben perfekt.
Jan-Michael
KRÜGER sorgte mit dem PHILHARMONISCHEN ORCHESTER für die solide musikalische
Untermalung des Bühnengeschehens.
Das
Bühnenbild von Markus MEYER schuf einen perfekten Kontrast zwischen der
schulmeisterlichen und der gräflichen Welt. Gerade in der Schloß-Szenerie
gab es viele Details zu entdecken. Die Lichtregie (Falk HAMPEL) sorgte
für die notwendige Unterstützung der jeweiligen Stimmung und traf den
Nagel ebenso auf den Kopf wie die durchweg perfekt passenden Kostüme (Tatjana
IVSCHINA). AHS
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