Die
für uns optimale Umsetzung dieses Musicals von Mitch Leigh und Dale Wasserman
haben wir zugegebenermaßen mit der Inszenierung von Axel Heil bereits
im Jahr 2005 gesehen. Und so war uns bereits vor der Fahrt nach Lübeck
bewußt, daß dieser Standard schwer zu erreichen sein würde.
Um
es kurz zu machen. musikalisch liegt das Theater Lübeck hier wieder ziemlich
weit vorn. Daß dies so ist, dürfte über weite Strecken dem Protagonisten
des Abends sowie der musikalischen Leitung des Abends durch Ludwig PFLANZ
zu verdanken sein.
Steffen
KUBACH brachte seine beiden Figuren mit der notwendigen Ernsthaftigkeit
und hohem Engagement auf die Bühne. In manchen Momenten konnte man sich
des Eindrucks nicht erwehren, daß er der einzige dort war, dem das Stück
als solches wirklich am Herzen lag. Sowohl der abgeklärte Cervantes als
auch der in seiner Traumwelt verhaftete Don Quixote wurden mit viel Liebe
zum Detail dargebracht. Stimmlich ist der Bariton gerade auch im Musical
zuhause. Nichts klang auch nur für eine Sekunde schnulzig oder übertrieben.
Ihm
zur Seite war Theodor REICHARDT als Cervantes' Diener und als Sancho im
Spiel sicherlich recht überzeugend. Stimmlich haperte es dann aber doch
an der einen oder anderen Stelle.
Bei
Vasiliki ROUSSI vermißte man wohl am meisten eine irgendwie geartete Entwicklung
ihrer Figur. Außerdem fehlte es ihrer Aldonza irgendwie sowohl in stimmlicher
als auch in darstellerischer Hinsicht an Präsenz.
Die
kleineren Rollen waren durchweg überzeugend besetzt. Dino DI IORIO wurde
zwar zu Beginn des Abends angesagt, bei seinem Auftritt als Padre war
davon aber glücklicherweise nichts zu hören. Boris BECKER zeigte für Dr.
Carrasco zwar mehr Einsatz als für die Figur des Herzogs. Er wußte aber
insgesamt zu überzeugen. Norbert WENDEL lieferte sowohl als Gastwirt,
als auch als Gouverneur eine ebenfalls solide Leistung ab.
Steinunn
Soffia SKJENSTAD verlieh der Antonia mit der gefälliger Stimme und rollenkonformen
Spiel einen herrlich blonden Unterton. Niklas-Philipp GERTL erwies sich
bei seinem Auftritt als Barbier als echter Szenendieb. Auch Florian KLEINE,
Tomasz MYSLIWIEC, Enrico-Adrian RADU, Yong-Ho CHOI, Mariusz ROGALINSKI
und Gisela PRUSEK machten ihre Sache in ihren diversen kleineren Aufgaben
wirklich gut.
Das,
was man vom CHOR des Theater Lübeck (Leitung: Joseph FEIGL) kollektiv
zu hören bekam, war wieder überaus erfreulich und machte viel Lust auf
die anstehende "Don Carlos"-Produktion.
Im
Norden Deutschlands dürfte Ludwig Pflanz als Dirigent für Musicals so
ziemlich unschlagbar sein. Der Entdecker des Jazz in der Operette gab
der Musik Leighs einen bigbandartigen Sound und ließ das ORCHESTER den
Abend über stets schwungvoll begleiten. Diese Musikform in solch einer
hohen Qualität zu spielen, ist eine Eigenart der Lübecker Philharmoniker,
die hoffentlich auch in Zukunft erhalten bleibt.
Daß
die Inszenierung von Pascale-Sabine CHEVROTON hier nicht mithalten kann,
war keine Überraschung. Im Programmheft konnte man u.a. lesen: "Wir haben
die Rolle der Tänzerin […] dazu erfunden, um mittels der Körpersprache
das auszudrücken, was durch die Sprache nicht formuliert werden kann."
Es ist schade, daß die Regisseurin und Choreographin das für notwendig
erachtet, gibt es doch gerade in diesem Musical viel musikalischen Subtext,
der für jeden Zuhörer, der latent daran interessiert, leicht zu erkennen
sein dürfte.
Glücklicherweise
ist dem Produktionsteam neben besagter Tänzerin (Cornelia LA MINERA) weder
in Bühnenbild (Jürgen KIRNER), noch bei den Kostümen (Tanja LIEBERMANN)
oder in der weiteren Umsetzung kaum Neues eingefallen, so daß man der
Musik trotz einiger maßlos überzogener bzw. überkandidelter Gags relativ
unbehelligt folgen konnte.
Ein
wichtiger Punkt ist auch bei diesem Musical aus unserer Sicht wieder die
Frage der Originalsprachigkeit. Um die deutsche Version (Robert Gilbert)
ist in diesem Fall vielleicht nicht so arg bestellt wie beispielsweise
um Lloyd-Webbers "Evita", aber die eine oder andere Pointe geht dann doch
schlicht verloren. Der eine oder andere ernsthafte Punkt, versteckt in
einem Scherz, verpufft. So stellte sich schlußendlich auch diesem Abend
die Frage, weshalb man Musicals (anders als Opern) in diesen Landen eigentlich
meistens auf deutsch spielt. AHS
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