Dieser
"Macbeth" war lang erwartet. Musikalisch bot das Lübecker Theater dann
als erste Premiere des neuen Jahres auch ganz große Oper.
Einen
wesentlichen Anteil hatte daran Matteo BELTRAMI, der den Abend nicht nur
sicher leitete, sondern auch in musikalischer Deutung und Tempiwahl eine
ausgesprochen interessante Interpretation dieses Verdi-Werkes bot. Machtvoll,
aber nie überlaut spielt das PHILHARMONISCHE ORCHESTER auf, aber auch
die leisen Momente klangen technisch sauber und musikalisch ausgewogen.
Trotz
des langen Wartens zeigte sich, daß gerade jetzt der richtige Zeitpunkt
für Gerard QUINNs Macbeth ist. Natürlich bestand kein Zweifel, daß man
eine großartige Leistung zu hören und zu sehen bekommen würde. Die Partie
war so tadellos einstudiert wie fabelhaft gesungen. Es gab Legato und
Italianità im Überfluß. Und doch war etwas anders an diesem Abend. Etwas,
das man so noch nicht gehört hatte. Dieser neue, wohl ein wenig dunklere
Klang verstärkt das angenehme Timbre und ergänzt den technisch ausgereiften
Verdigesang perfekt.
Alessandra
REZZA liegt die Lady im Blut. Ihre facettenreiche, Stimme besitzt das
richtige Maß an Ecken und Kanten und klingt dabei weder unschön, noch
ansatzweise schrill. Das warme Timbre sowie die Sicherheit in den Höhen
unterstreichen diesen positiven Eindruck. Vermeintlich mühelos gelangen
der Sängerin sowohl die Arien als auch das Brindisi, ohne daß neben der
stimmlichen Vollendung die Charakterisierung der Figur auf der Strecke
blieb.
Ganz
großartig war das Zusammenspiel beider Protagonisten. Eine kurze Geste,
ein Blick genügten oft, um die Situation zwischen den Figuren zu skizzieren.
Auch stimmlich harmonisierten sie perfekt.
Ungewohnt
zurückhaltend und doch rollenkonform ließ Dmitry GOLOVNIN seinen Macduff
in den meisten Szenen agieren. Die Arie nutzte er dann allerdings dann
doch zur Profilierung. Mit tenoraler Strahlkraft und klug eingesetzten
musikalischen Mitteln verdiente er sich hier die Begeisterung des Publikums.
Martin BLASIUS bot als Banquo nur wenig richtig klingende Töne. Es ist
abzuwarten, ob dies allein an der Abendform lag.
Tomasz
MYSLIWIEC sang einen ausgesprochen schönstimmigen Malcolm. In den weiteren
Rollen überzeugten Johan Hyunbong CHOI (Arzt/Diener) und Young-Soo RYU
(Mörder) mit ebenso profunden musikalischen Leistungen wie Wioletta HEBROWSKA,
die als Kammerfrau stimmlichen Luxus bot.
Großartig
disponiert waren auch CHOR und EXTRACHOR, die ihrem Leiter Joseph FEIGL
mit einer hervorragenden Leistung alle Ehre machten. Definitiv erste Liga.
In
Teilen Norddeutschlands scheint es indes kein gutes Klima für die Inszenierung
italienischer Opern zu geben. Auch dieser musikalisch so großartige Abend
fand keine adäquate Entsprechung in der szenischen Umsetzung. Im ersten
Moment glaubte man ob der Chor-Kostüme an eine populäre Fernsehserie
("Dunsinane Abbey"???), doch das war es nicht.
Eine
zeitliche Verlegung von Opern ist nicht neu und war hier garderobentechnisch
(Kostüme: Manuel PEDRETTI) zumindest stringent.
Regisseur
Alberto TRIOLA hat sich bei seiner Interpretation des Werkes darauf versteift,
daß das gesamte Tun und Werden auf der Kinderlosigkeit Macbeth' und der
Lady beruht. Kann man machen, das permanente Sortieren und Präsentieren
von Kinderkleidung überstrapazierte dies dann aber doch. Die Idee, daß
die Lady jeden verfügbaren Mann in ihr Bett zerrt (sogar Banquo, denn
dessen Kinder werden schließlich herrschen), paßte ins Konzept.
Störender
war da die teilweise recht ungünstige Positionierung der Sänger. So singt
die Lady ihre Cabaletta im ersten Akt teilweise aus ihrem begehbaren Kleiderschrank
auf der hinteren Bühne (akustisch ausgesprochen ungünstig) und das Trinklied
im zweiten zum Teil auf dem Bett stehend, was wohl keinen sicheren Halt
bot. Von der Gebärhaltung für ihren letzten Auftritt einmal ganz abgesehen.
Das
Bühnenbild (Tiziano SANTI) war mit seinen wenigen Elementen recht übersichtlich.
Es steht zu hoffen, daß die längeren Umbaupausen dem ersten Abend geschuldet
waren. Allein die Lichtregie (Falk HAMPEL) bot einige wirklich sehr schöne
Momente, wie z.B. bei Macbeth' "La vita riprendo!" im zweiten Akt.
Musikalisch
ist auch diese Produktion die eine oder andere Reise nach Lübeck wert.
Und bei soviel Genuß für die Ohren verliert man sich ohnehin recht schnell
in der Musik und vergißt, dem Regiekonzept zu folgen. AHS
P.S.
Kann mir jemand sagen, weshalb man das Werk in Lübeck als "Macbetto" spielt?
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