Die
Premiere fand zwar schon am Silvester-Vorabend statt, aber sie gab doch
einen Vorgeschmack auf eine jener Partys zum Jahreswechsel, bei der gefälligst
alle permanent Fröhlichkeit zu demonstrieren haben, und Humor dadurch
definiert wird, daß pausenlos etwas geschieht, über das zumindest irgendwer
lacht. Das Problem von Regisseur Anthony PILAVACHI scheint manchmal darin
zu bestehen, zuviel der Einfälle zu haben (womit er sich grundsätzlich
durchaus positiv von dem einen oder anderen seiner Kollegen unterscheidet),
diese Unmengen der Ideen aber nicht immer genügend sortiert und in geordnete
Bahnen gelenkt zu bekommen.
Und
so erstickte seine Traumreise auf der HMS Windsor (Bühnenbild Tatjana
IVSCHINA), auf der Ford & Co als Passagiere, Fenton als Masseur und Falstaff,
als blinder Passagier direkt neben den Weinvorräten, fungieren am schlichten
"zuviel, zuviel". Die erste Szene im Schiffsbauch mit dem ob seines ebensolchen
Bauches nur begrenzt bewegungsfähigen Titelhelden, um den herum alles
umso schneller zu wuseln scheint, zeigte zunächst grundsolides Handwerk
mit dezenter Komik, die mehr zum Lächeln als zum schenkelklopfenden Lachen
aufforderte, was mir dem Stück entschieden angemessener erschien.
Ein
Jammer, daß Gerard QUINN infolge eines grippalen Infekts schwer indisponiert
antrat und wohl nur sang, um die Premiere nicht platzen zu lassen. Eine
Beurteilung der wirklichen Möglichkeiten war so nicht möglich, doch rettete
er sich immerhin mit Technik, Stil und vor allem Dezenz gekonnt über die
Runden. Gerade letztere fiel zunehmend erfreulich auf, da mit dem Auftritt
der vier Damen leider Hektik das Kommando übernahm; es wurde auf Teufel
komm raus gerannt, gestikuliert und notfalls noch über ein paar Statisten
zusätzlich für Bewegung gesorgt.
Die
sich pausenlos jagenden Einfälle und Zitate quer durch die Kunstgeschichte
von Malerei bis Film ließen das Auge kaum mehr zur Ruhe und das Ohr nicht
mehr zu seinem Recht kommen. Sicher, einiges war wirklich witzig: das
punktgenaue Tänzchen Falstaffs mit Alice zu "Quand'ero paggio" etwa, zu
dem die vorausgehende Laute Alices aus dem Kofferradio kommt, oder auch
die mit Geigen- und Cellokasten "bewaffneten" Bardolfo und Pistola, bei
denen man ob der asiatischen Besetzung (HYO JONG KIM und HYEON-JUN YEOUM,
die beide die Grippe ihres Herren in abgeschwächter Form abbekommen hatten)
automatisch nach dem fehlenden dritten Mann mit dem Kontrabaß Ausschau
hielt, die aber genauso gut von den "Freunden der italienischen Oper"
aus "Some like it hot" hätten sein können. Auch das Einschweben Nanettas
im letzten Bild als Botticellis Venus machte im Rahmen der Schiffsreise
Sinn, aber gerade in dieser Szene verliert der Überaktionismus endgültig
diesen Sinn, weil das Elfenlied wegen optischer Dinge vom Publikum zerlacht
wird, was nicht nur total gegen die Musik geht sondern die so wundervoll
jugendlich-lyrische Anne ELLERSIEK auch noch völlig unter Wert verkauft.
Neben
ihr brillierte bei den Damen die ausgesprochen flotte Quickly der Veronika
WALDNER, die über Spiel und variable Phrasierung herausholte, was ihr
von Haus aus an pastoser Tiefe für die Rolle fehlte. Dritte im positiven
Trio war Wioletta HEBROWSKA (Meg Page). Leider reichte es nicht zum Quartett,
denn ausgerechnet der einzige Gast, Birgit BEER, sorgte mit scharf soubrettigen
Tönen, denen die Lyrik für die Alice gründlich abging, immer wieder für
unschöne Einschübe in den Ensembles.
Insofern
hätte ihr Ehemann gar nicht so eifersüchtig sein müssen, denn Antonio
YANG hätte bei seinen vokalen Möglichkeiten auf der Reise vermutlich problemlos
akustisch angenehmere Bekanntschaften machen können.... So kraftvoll mühelos
und gleichzeitig differenziert, dazu mit schönem, kernigen Timbre, bekommt
man den schwierigen Monolog im 3. Bild wahrlich nicht alle Tage präsentiert.
Für
den Fenton war mir Daniel SZEILI zunächst zu knapp in der Höhe, zu gerade
in der Gesangslinie, mehr deutscher Operettentenor als lyrischer Italiener
in der Art des Singens. Aber er steigerte sich und brachte seine schöne
Ariette im 3. Akt höchst anständig über die Rampe. Und Patrick BUSERT
fügte seinen vielen Charakterportraits als Dr. Cajus eine weitere scharf
umrissene Figur hinzu. Ein Jammer, dass er für den "Siegfried"-Mime nicht
wenigstens als Zweitbesetzung hinter dem natürlich prominenteren Arnold
Bezuyen angesetzt war.
Das
Lübecker ORCHESTER hat unter Roman BROGLI-SACHER in den letzten Jahren
einen gewaltigen Sprung nach vorn gemacht und bei Wagner und Strauss,
aber auch in der Moderne, erstaunliches geleistet. Aber diesmal wollte
es nicht so recht klappen, zu uneinheitlich war das Ergebnis. Neben wunderbar
präzise durchhörbaren Passagen stand Verwackeltes, die Tempoänderungen
gaben häufig keinen organischen Bogen obwohl gegen die Tempi als solche
nichts zu sagen war, und manches war schlicht zu laut. Verdis diffizile
Partitur schien ihre besonderen Tücken zu haben. HK
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