Ich
bin ein bekennender Fan von Anthony PILAVACHIs Lübecker "Ring" und seiner
Frankfurter "Holländer"-Inszenierung, in denen witzige, clevere und spannende
Momente und überraschende
Lösungen den Atem stocken lassen. Auf diesem Niveau ist die "Falstaff"-Produktion
leider nicht.
Die
Grundidee, das Stück auf ein britisches Passagierschiff in den 1950er-Jahren
nebst Reisenden aus allen möglichen Kolonien und Ländern zu verlegen,
funktioniert zunächst relativ gut. Vor Einsetzen der Musik werden die
Passagiere mittels Filmeinspielung beim Betreten des Schiffes vorgestellt;
Falstaff reist als blinder Passagier in einer großen Kiste und haust sodann
im Laderaum. Die Damen lassen sich im Wellness-Bereich des Schiffes verwöhnen,
wo Fenton offenbar als Masseur arbeitet, während Dr. Cajus den Schiffsarzt
mimt.
Es
gibt auch später noch durchaus amüsante Momente, wenn Ford sich bei seinem
Eifersuchtsmonolog beispielsweise den bayerischen Mitreisenden bei der
Zeile über das Bier zur Brust nimmt, Falstaff, nachdem er mittels Korb
über Bord gekippt wurde, per Ladekran wieder eingesammelt wird und diverses
Meeresgetier verstreut, oder aufgrund seines Bauches nicht dicht genug
an Alice herankommt, um überhaupt zu irgend etwas zu kommen. Man kann
auch über den Schluß diskutieren, wo es offenbar zu einer Havarie oder
ähnlichem kommt, während Falstaff samt Page im Rettungsboot entkommt,
auch wenn dies in der Durchführung an ein wenig schwarzem Humor mangelt.
Was
jedoch mit Fortgang des Abends zunehmend zu nerven beginnt, ist der Umstand,
daß ständig hinten auf der Bühne der Chor herumwuselt auch in Szenen,
die eigentlich ein Alleinsein der Protagonisten verlangen, oder im Feenlied
einer der als Meereswesen verkleideten Choristen als running gag mit der
Choreographie nicht klar kommt. Das lenkt einfach zu sehr vom Geschehen
und der Musik ab, und man fragt sich unwillkürlich, weswegen ein Regisseur
wie Pilavachi, dessen Fähigkeit zur genauen Beobachtung hier schon mehrfach
gepriesen wurde, so wenig auf das Stück vertraut.
Die
Bühnenbilder von Tatjana IVSCHINA sind einfallsreich, ästhetisch und poetisch,
die Kostüme von Cordula STUMMEYER manchmal nicht ganz geschmackssicher
überzogen, speziell was die Damen mit ihren pastellfarbenen Petticoats
angeht.
Leider
mußte sich Gerard QUINN in der Titelrolle als stark erkältet ansagen lassen,
was vor allem im ersten Bild auffiel. Danach jedoch sang und spielte der
Bariton zwar vorsichtiger und zurückhaltender als gewohnt, aber noch immer
auf einem Niveau, zu dem viele Sänger glücklich wären, in gesundem Zustand
fähig zu sein, einen sehr guten Falstaff. Er schaffte es, niemals die
Würde zu verlieren und immer, trotz der prekären Situationen, den "Sir"
nicht zu vergessen. Aufgrund dieser Leistung besteht hier ein dringendes
Bedürfnis, die Produktion erneut zu besuchen, wenn Quinn wieder im Vollbesitz
seiner stimmlichen Kräfte sein wird.
Eine
großartige Mrs. Quickly stellte Veronika WALDNER auf die Bühne. Eine noch
jugendliche, lebenslustige Witwe, deren Spaß an der Intrige deutlich spürbar
war. Daß die Sängerin dazu prachtvoll singt mit vielen kleinen Nuancen
ist bei ihr - auch wenn man das eigentlich nicht sagen sollte - eine Selbstverständlichkeit.
Ich kann mich nicht erinnern, jemals auch nur eine mittelmäßige Leistung
von dieser Sängerin gehört zu haben. Wioletta HEBROWSKA macht das Beste
aus der Meg, singt ohne Tadel und ist spielfreudig.
Letzteres
kann man Birgit BEER als Alice nicht absprechen, an der gesanglichen Leistung
jedoch mangelt es schon heftig. Die Stimme wirkte flach, wenig lebendig,
in den Höhen war einiges im Argen, die Textbehandlung ließ zu wünschen
übrig. Das war nicht wirklich eine würdige Anführerin der Damen. Besser
war es um ihren Gatten Antonio YANG bestellt. Dieser durchmaß die Partie
des eifersüchtigen Ford ohne Probleme mit großformatiger Stimme und ist
auch darstellerisch auf der Höhe. Vielleicht fehlt noch ein letztes Quentchen
Rollenidentifikation, aber das kann sich sicherlich entwickeln.
Nanetta
war bei Anne ELLERSIEK in besten Händen, die mit klaren Sopran sang und
beim nicht unheiklen Feenlied als schaumgeborene Venus vom Schnürboden
herabgelassen wurde. Die Entwicklung dieser Sängerin auch hinsichtlich
Bühnenpräsenz ist überaus erfreulich. Man hätte dieser Nanetta einen besseren
Ehemann als Daniel SZEILI gewünscht, denn der Tenor hatte außer Höhen,
die zwischen angestrengt und unschön schwankten, wenig zu bieten. Da wäre
es Nanetta vielleicht doch zu raten gewesen, dem Wunsch ihres Vaters zu
folgen, denn Dr. Cajus (Patrick BUSERT) ist nicht so lächerlich gezeichnet
wie in anderen Produktionen, sondern eigentlich ein ganz sympathischer
Kerl, und daß der Tenor deutlich besser singt als sein Rivale, war selbst
bei den wenigen Profilierungsmöglichkeiten dieser Rolle zu merken.
Hyo
JONG KIM (Bardolpho) und Hyeon-Jun YEOUM (Pistola) sangen auf gutem Niveau,
konnten jedoch zu keinem Zeitpunkt wirklich eigenes Profil entwickeln
oder gar ihren Rollenvorgängern in der letzten "Falstaff"-Produktion vor
elf Jahren vergessen machen. Robin QUINN war ein sehr präsenter, sich
sehr natürlich bewegende Page Robin. Weswegen der Wirt als falsche Großfürstin
Anastasia (David WINER-MOZES) über die Bühne geistert, hat sich weder
mir, noch meiner Begleitung erschlossen.
Der
CHOR (Leitung: Joseph FEIGL) war sehr engagiert bei der Sache, das ORCHESTER
schaffte es fast, abgesehen von zwei heftigen Verspielern, seine Scharte
aus der indiskutablen "Götterdämmerung" Mitte Dezember auszuwetzen. Roman
BROGLI-SACHER blieb am Pult diesmal größtenteils unauffällig, wenn man
davon absieht, daß ihm im zweiten Bild das Ensemble der Verschwörer gegen
Falstaff geradezu zerbröselte. MK
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