"DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN" - 30. Mai 2010

Ganz so harmlos märchenhaft, wie es uns Regisseur Dieter KAEGI glauben machen will, geht es in Janaceks Gleichnis vom ewigen Kreislauf des Lebens sicherlich nicht zu (einige Textstellen sprechen da doch eine deutlich realistischere, mitunter fast fatalistische Sprache). Aber wenn es Kaegis Ziel war, dieses Gleichnis so aufzubereiten, daß es auch von Kindern, wenn auch sicher nicht wirklich verstanden, aber doch mit gespannter Aufmerksamkeit verfolgt wird, dann ist ihm ein voller Erfolg geglückt - und ein höchst wünschenswerter obendrein, ist es doch erfreulich, wenn neben dem obligaten 60-plus-Publikum der Sonntag-Nachmittag-Vorstellung auch jede Menge Jungvolk bis hinab zum vierjährigen Daumenlutscher das Haus bevölkert und mit konzentrierter Ruhe demonstriert, dass es vom Bühnengeschehen gefesselt ist; so gewinnt man Publikum für morgen!

Obendrein hat Kaegi in seinem selbstgesteckten Rahmen mit geringem Aufwand hervorragende Arbeit geleistet. Bruno SCHWENGL verwandelt die Szene im Rahmen eines Einheitsbildes mit wenigen Requisiten vom Wald über die Försterei bis zum Wirtshaus, für zusätzliche Atmosphäre sorgen die im Prinzip einfachen, aber phantasievollen Tierkostüme. Alles andere geschieht über die liebevoll ironische, präzise Zeichnung der Charaktere mit all ihren kleinen Schwächen. Da liefert sich die Fliege einen Boxkampf mit dem Frosch, der Igel zieht ein Wägelchen mit einem kleinen Kaktus, der Gockel mimt den großen Macho - und wenn die Fuchskinder ihre erschossene Mutter davonziehen, ruft einer der menschlichen Zeugen, der gerade nurmehr gesehen hat, daß da eine Leiche abtransportiert wird, nach der Kripo: die kommt denn auch prompt und übernimmt die Spurensicherung, mit Tütchen und Absperrband! Das ist immer wieder einfach urkomisch, ohne irgendwie boshaft zu sein, denn auch die Menschen bleiben - bei all ihren Fehlern - Figuren, deren Handeln menschlich verständlich bleibt. Nur die Gleichsetzung des Füchsleins mit der Zigeunerin Terinka, der alle Männer des Stücks verfallen sind, geht am Ende nicht wirklich auf, zu sehr erscheint die Tanzende als Geist der Füchsin.

Gesungen wird vorwiegend ordentlich, aber es gibt ohnehin kaum eine Partie, in der man gesanglich glänzen kann, Janacek verlangt hier vor allem singende Darsteller. Und von denen hat man in Lübeck einige. Steffen KUBACH gibt den Förster mit ganz leicht, wie nebenbei gesungenem Bariton als Durchschnittsmenschen wie Du und Ich, der seinen Träumen nachtrauert und am Ende zwar resignativ, aber doch zufrieden eins mit der Natur wird. Als sein kantig gewordenes Eheweib (und moralische Eule) glänzt Veronika WALDNER, die das verordnete steife Bein mit einer Konsequenz durchzieht, daß man kaum weiß, ob sie nicht vielleicht ernsthaft lädiert ist.

Für den unglücklich verliebten Schulmeister besitzt Fritz STEINBACHER genau den richtigen prägnanten Charaktertenor mit der Fähigkeit zu ein paar lyrischen Ergüssen, und Andreas HALLER macht gute Figur als zweimal vertriebener Pfarrer und Dachs - letzterer aus seiner Behausung, ersterer per Zwangsversetzung, weil er der Zigeunerin angeblich unziemlich an die Wäsche wollte (was einem ganz unabhängig von Janacek irgendwoher bekannt vorkommt...). Heiraten tut die am Ende der Landstreicher Haraschta, dem Jin-Soo PARK markanten Bariton verleiht.

Der schönste Charakter in der "Tierwelt" ist für mich Ella ARADOVSKAJA als gar köstlich melancholischer Dackel, zu dem der selbstgefällige Hahn von Andrea STADEL einen wundervollen Gegensatz bildet. Beim Fuchspaar überzeugt rein stimmlich vor allem Michaela LUCAS als Fuchs, während ausgerechnet die ansonsten überzeugend gestaltende Titelheldin Anne BAXTER in der Höhe doch etliche Töne aufweist, die man in einer tschechischen Aufnahme wohl als "typisch slawische Schärfe" beschreiben würde.

Philippe BACH ließ am Pult zu Beginn das typische Vorwärtsdrängen der Janacek'schen Musik vermissen, doch im Laufe der Vorstellung brachte er immer mehr Details der Instrumentierung zum Klingen und achtete nicht nur auf die Durchhörbarkeit der Stimmen, sondern auch auf eine äußerst dezente Dynamik, so daß überraschend viel des in der Übersetzung von Peter Brenner gesungenen Textes verständlich war, sicher ein weiterer Pluspunkt für das Ziel, der Jugend Oper schmackhaft zu machen. HK