Ganz
so harmlos märchenhaft, wie es uns Regisseur Dieter KAEGI glauben machen
will, geht es in Janaceks Gleichnis vom ewigen Kreislauf des Lebens sicherlich
nicht zu (einige Textstellen sprechen da doch eine deutlich realistischere,
mitunter fast fatalistische Sprache). Aber wenn es Kaegis Ziel war, dieses
Gleichnis so aufzubereiten, daß es auch von Kindern, wenn auch sicher
nicht wirklich verstanden, aber doch mit gespannter Aufmerksamkeit verfolgt
wird, dann ist ihm ein voller Erfolg geglückt - und ein höchst wünschenswerter
obendrein, ist es doch erfreulich, wenn neben dem obligaten 60-plus-Publikum
der Sonntag-Nachmittag-Vorstellung auch jede Menge Jungvolk bis hinab
zum vierjährigen Daumenlutscher das Haus bevölkert und mit konzentrierter
Ruhe demonstriert, dass es vom Bühnengeschehen gefesselt ist; so gewinnt
man Publikum für morgen!
Obendrein
hat Kaegi in seinem selbstgesteckten Rahmen mit geringem Aufwand hervorragende
Arbeit geleistet. Bruno SCHWENGL verwandelt die Szene im Rahmen eines
Einheitsbildes mit wenigen Requisiten vom Wald über die Försterei bis
zum Wirtshaus, für zusätzliche Atmosphäre sorgen die im Prinzip einfachen,
aber phantasievollen Tierkostüme. Alles andere geschieht über die liebevoll
ironische, präzise Zeichnung der Charaktere mit all ihren kleinen Schwächen.
Da liefert sich die Fliege einen Boxkampf mit dem Frosch, der Igel zieht
ein Wägelchen mit einem kleinen Kaktus, der Gockel mimt den großen Macho
- und wenn die Fuchskinder ihre erschossene Mutter davonziehen, ruft einer
der menschlichen Zeugen, der gerade nurmehr gesehen hat, daß da eine Leiche
abtransportiert wird, nach der Kripo: die kommt denn auch prompt und übernimmt
die Spurensicherung, mit Tütchen und Absperrband! Das ist immer wieder
einfach urkomisch, ohne irgendwie boshaft zu sein, denn auch die Menschen
bleiben - bei all ihren Fehlern - Figuren, deren Handeln menschlich verständlich
bleibt. Nur die Gleichsetzung des Füchsleins mit der Zigeunerin Terinka,
der alle Männer des Stücks verfallen sind, geht am Ende nicht wirklich
auf, zu sehr erscheint die Tanzende als Geist der Füchsin.
Gesungen
wird vorwiegend ordentlich, aber es gibt ohnehin kaum eine Partie, in
der man gesanglich glänzen kann, Janacek verlangt hier vor allem singende
Darsteller. Und von denen hat man in Lübeck einige. Steffen KUBACH gibt
den Förster mit ganz leicht, wie nebenbei gesungenem Bariton als Durchschnittsmenschen
wie Du und Ich, der seinen Träumen nachtrauert und am Ende zwar resignativ,
aber doch zufrieden eins mit der Natur wird. Als sein kantig gewordenes
Eheweib (und moralische Eule) glänzt Veronika WALDNER, die das verordnete
steife Bein mit einer Konsequenz durchzieht, daß man kaum weiß, ob sie
nicht vielleicht ernsthaft lädiert ist.
Für
den unglücklich verliebten Schulmeister besitzt Fritz STEINBACHER genau
den richtigen prägnanten Charaktertenor mit der Fähigkeit zu ein paar
lyrischen Ergüssen, und Andreas HALLER macht gute Figur als zweimal vertriebener
Pfarrer und Dachs - letzterer aus seiner Behausung, ersterer per Zwangsversetzung,
weil er der Zigeunerin angeblich unziemlich an die Wäsche wollte (was
einem ganz unabhängig von Janacek irgendwoher bekannt vorkommt...). Heiraten
tut die am Ende der Landstreicher Haraschta, dem Jin-Soo PARK markanten
Bariton verleiht.
Der
schönste Charakter in der "Tierwelt" ist für mich Ella ARADOVSKAJA als
gar köstlich melancholischer Dackel, zu dem der selbstgefällige Hahn von
Andrea STADEL einen wundervollen Gegensatz bildet. Beim Fuchspaar überzeugt
rein stimmlich vor allem Michaela LUCAS als Fuchs, während ausgerechnet
die ansonsten überzeugend gestaltende Titelheldin Anne BAXTER in der Höhe
doch etliche Töne aufweist, die man in einer tschechischen Aufnahme wohl
als "typisch slawische Schärfe" beschreiben würde.
Philippe
BACH ließ am Pult zu Beginn das typische Vorwärtsdrängen der Janacek'schen
Musik vermissen, doch im Laufe der Vorstellung brachte er immer mehr Details
der Instrumentierung zum Klingen und achtete nicht nur auf die Durchhörbarkeit
der Stimmen, sondern auch auf eine äußerst dezente Dynamik, so daß überraschend
viel des in der Übersetzung von Peter Brenner gesungenen Textes verständlich
war, sicher ein weiterer Pluspunkt für das Ziel, der Jugend Oper schmackhaft
zu machen. HK
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