"Aber
DIE Richtige" hätte es diesmal eigentlich heißen müssen, denn Marion AMMANN
war die ideale Arabella, persönlichkeitsstark, interessant herb in der
Optik und mit einer jugendlich klaren, ein ganz klein wenig kühlen Stimme,
der die Strauss'schen Bögen keinerlei Mühe machten. Was aber noch wichtiger
war: hier sang jemand mit Wissen um die Möglichkeiten, einem Text nicht
nur mittels exzellenter Diktion, sondern auch über die Klangfarbe oder
kleine Veränderungen in der Betonung ganz besonderes Gewicht zu verleihen;
eine Raffinesse, ohne die die Texte von Hofmannsthal schon einmal leicht
ins Banale abrutschen können, mit der sie aber jene in der Schwebe befindliche
Künstlichkeit bekommen, die ihren ganz eigenen Reiz ausmacht.
Antonio
YANG konnte da als Mandryka nicht mithalten, zu stark - und im Laufe des
Abends stärker werdend - ist der Akzent, der für sich genommen die Fremdheit
der Figur im Wiener Umfeld ja noch betont (auch wenn das durch die Besetzung
der Grafen Domink und Lamoral mit koreanischen Landsleuten stark relativiert
wird). Aber man hört zu sehr, daß der Sänger in diesem Punkt mit der Partie
noch nicht wirklich fertig ist - wohl auch noch nicht fertig sein kann;
der Mandryka ist keine Figur, die man bei einem Rollendebüt mit eins,
zwei,...auf die Bühne stellt. Ich erinnere mich an Wolfgang Brendel, dessen
zweiten Mandryka überhaupt ich 1983 in München sah. Der stand damals an
der Rampe und fixierte den Dirigenten. Da ist Yang sowohl in der Darstellung
als auch sängerisch sehr viel weiter im Vergleich. Höhen und Tiefe der
weitgespannten Tessitura kommen ehrlich ausgesungen und mit der nötigen
Kraft, aber ohne Kraftmeierei. Und für die lyrischen Passagen steht ihm
ein schönes Legato zur Verfügung.
Man
hört - und sieht - jedenfalls, warum sich Arabella für ihn und gegen Matteo
entscheidet. Timothy RICHARDS ist mit steifer Tongebung und ebensolchem
Spiel die fast schon vorhersehbare Schwachstelle der Aufführung; vorhersehbar
deshalb, weil selbst größte Häuser kaum eine adäquate Besetzung für die
undankbare Rolle aufzubieten haben. Insofern war es wieder einmal unklar,
wieso Zdenka ausgerechnet diesen Herrn haben möchte, zumal der glockenreine
und höhensichere Sopran von Anne BAXTER, der sich im Damenduett hervorragend
mit der Stimme von Marion Ammann mischte, dem Angebeteten deutlich überlegen
war.
Wenn
es denn schon ein Tenor sein muß, dann hätte ich an ihrer Stelle eher
beim mit Charme und vokalem Schwung aufwartenden Elemer des Daniel SZEILI
zugegriffen, der nur das Pech hatte, daß er - genauso wie seine soliden
Kollegen Jundong KIM (Dominik) und Jin-Soo PARK (Lamoral) -, von der Regie
arg albern dargestellt wurde, so daß die Drei kaum als ernsthafte Bewerber
um Arabella in Betracht kamen.
Die
wirklich komödiantische Seite des Stücks kam beim Grafenpaar von Martin
BLASIUS und Veronika WALDNER zum Tragen, weil beide nicht überziehen mußten
und mit ihren Charakterzeichnungen wunderbar haarscharf an der Realität
vorbeischrammten. Obendrein zeigte vor allem Frau Waldner, daß man diesen
Figuren auch mit urgesunder Stimme beikommen kann, so man diese nur dezent
einsetzt. Ihr Bühnengatte klang daneben schon deutlich älter, was der
Partie aber nicht schadet.
Neben
dem Matteo hat Strauss mit der Fiakermilli gleich noch eine weitere undankbare
Rolle geschaffen. Das ist nicht wirklich musikalisch interessant, aber
technisch ungemein schwer - und kräftig störend, wenn es schief geht.
Die Sorge mußte man bei Andrea STADEL allerdings nicht haben. Im Passaggio
gab es einige unschöne Töne, aber die Extremhöhe kam blitzsauber und ohne
hörbare "Arbeit".
Über
die Qualitäten des LÜBECKER ORCHESTERs habe ich schon des öfteren geschrieben.
Und auch diesmal konnte man über die sicheren Bläser und die Tonschönheit
in vielen Streicherpassagen nur staunen. Und Roman BROGLI-SACHER sorgte
mit flotten Tempi und dramatischem Zugriff dafür, daß selbst der dramaturgisch
so leicht durchhängende 3. Akt nicht fad wurde. Leider tat er aber dabei
dynamisch zu viel des Guten, das Orchester wurde zunehmend zu laut, worunter
nicht nur die Balance sondern auch die Textverständlichkeit litt. Da wäre
weniger mehr gewesen.
Als
genau richtig - wenn man von der oben gemachten Einschränkung absieht
- erwies sich die Regie von Kay KUNTZE. Er beließ das Stück in der Zeit
und konzentrierte sich auf die Zeichnung der Charaktere, denen er klares
Profil angedeihen ließ, was auf dem bewußt verknappten Bühnenbild von
Benita ROTH vor allem einmal handwerklich erstklassige Arbeit war. Denn
häufig diente nur ein mit einem Teppich ausgelegter variabler Steg, dem
mit einigen Requisiten der jeweilige Raum zugeordnet war, als Spielfläche;
die Treppe des Hotels erschien gar als glatte diagonale Schräge, bei der
nur der unten stehende Portier den Ort vorgab. Und der tiefer gelegte
Ballsaal, von dem zunächst nur die Schatten der Tänzer zu sehen waren,
ließ zwischendurch auch jenen Tanz auf dem Vulkan erahnen, dem Hofmannsthal
& Strauss sich mit der Sujet-Wahl vielleicht ganz bewußt hatten entziehen
wollen. Als reizvoller Kontrast dazu schwebte Millis Kutsche vom Bühnenhimmel
herab; nicht ohne ironische Brechung freilich, da sie in selbiger auch
noch ein florierendes einschlägiges Etablissement unterhielt - was man,
wenn man es denn boshaft sehen wollte, auch als Frage nach "wie soll man
heut als Sänger von der Gage allein leben?" deuten konnte. HK
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