Ein
erneuter Besuch am 2. Weihnachtsfeiertag brachte nun auch die stimmliche
Begegnung mit Jürgen MÜLLER, der den Siegfried in der Premiere ja krankheitsbedingt
nur hatte spielen können. Mir ist es nach diesem Abend unklar, warum der
Sänger bisher keine Karriere an internationalen Häusern gemacht hat. Die
einzige Erklärung wäre, daß das Volumen möglicherweise denn doch nicht
für die ganz großen Säle reicht. In Lübeck jedenfalls kommt er mühelos
über das auch dort nicht nur säuselnde Orchester. Und rein gesanglich
wüßte ich im Moment nur wenige Tenöre, die den Mordspart so ehrlich aussingen.
Faszinierend die Selbstverständlichkeit, mit der Müller seinen hellen,
angenehm timbrierten Tenor drei Akte lang auf Linie führt; keine unnötige
Kraftmeierei, kein Mogeln mittels Sprechgesanges oder zwischenzeitlicher
Sparversion, alles ist wirklich gesungen - und am Ende kommt die Höhe
so sicher wie im 1. Akt (wobei die Bayreuther Stunden-Pause nach dem zweiten
Akt natürlich von Vorteil ist). Ein zusätzlicher Aktivposten ist zweifellos
die ausgezeichnete Diktion, man versteht jedes Wort. Was vielleicht noch
ein bißchen fehlt sind die Farben, die poetische Lyrik im Waldweben, aber
das verschlägt im Gesamtbild nur wenig.
Deutlich
verbessert gegenüber der Premiere hatte sich für meine Ohren die Brünnhilde
von Rebecca TEEN, die kräftig sowohl an der dynamischen Variabilität als
auch an der Aussprache gearbeitet hatte.
Die
restliche Besetzung hielt ihren hohen Standard aus der Premiere (siehe
Kritik dort) und auch das Orchester demonstrierte wieder, wie hoch der
Standard in Lübeck inzwischen geworden ist. HK
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