Irgendwie
ist es derzeit offenbar in, bei Operetten den Spaß, den Charme und das
Freche zu hinterfragen oder sogar verschwinden zu lassen. Das kann klappen,
wie vor einigen Jahren in der "Csardasfürstin" mit ihrem beklemmenden
Schlußbild, es kann jedoch auch dazu führen, daß sich große Langeweile
ausbreitet, wie es jetzt im "Zigeunerbaron" der Fall war.
Dabei
sind die Bühnenbilder von Ulrike RADICHEVICH mit ihrem Fluß, dem bedrohlich
wirkenden Wald, einer Ruine und der ständigen Anwesenheit von Wasser durchaus
stimmungsvoll, was man von den Kostümen (insbesondere den von Arsena,
Czipra und Homonay) nicht unbedingt sagen kann. Aber was nützt einem eine
aufwendige Ausstattung, wenn darin nichts passiert?
Die
Inszenierung von Jürgen PÖCKEL ist von sehr gebremstem Tempo, was in der
Operette an sich schon schädlich ist. Hinzu kommt allerdings auch
noch, daß das mangelnde Tempo durch nichts anderes ersetzt wird. Man hat
den Eindruck, daß die Sänger sehr sich selbst überlassen wurden, was einige
bekanntermaßen besser kompensieren können als andere.
Leider
paßt sich Daniel SZEILI als Barinkay in die Langeweile der Inszenierung
nahtlos ein. Er entbehrt jeglichen Charmes in Gesang und Auftreten, was
für einen Operettenhelden tödlich ist. Ich habe auch noch nie jemanden
"Ja, das alles auf Ehr'" bar jeder Selbstironie singen gehört, was dieses
Stück geradezu im Nichts verpuffen läßt. Außerdem wird die Stimme in der
Höhe immer enger und halsiger. Dies ist schon seit einigen Vorstellungen
in dieser Saison zu beobachten und spricht für ein ernsthaftes technisches
Problem und nicht für eine schlechte Abendverfassung.
Daß
der Abend kein kompletter Reinfall wurde, lag an der restlichen Besetzung,
die durch die Bank sehr gut war. Da waren Anne ELLERSIEK als freche, koloraturgewandte
Arsena, die sehr genau weiß, was sie will, und Anna BAXTER, die die Saffi
tadellos sang, und als Figur durchaus von Beginn an die Tochter eines
Paschas durchschimmern ließ. Eine
absolute Überbesetzung war natürlich Veronika WALDNER als Czipra, die
ihre große Mezzostimme in den Dienst von Strauß' Musik stellte und mit
der gleichen Emphase und Leidenschaft sang, als handele sich um Verdi
oder Wagner.
Hartmut
BAUER, der ja eigentlich schon seinen Bühnenabschied gegeben hatte, kehrte
als Zsupán auf die Lübecker Bühne zurück. Die Stimme ist vielleicht nicht
mehr ganz so durchschlagskräftig wie früher, aber als echtes Bühnentier
weiß er, was er tut und wie man einen Charakter auf die Bühne stellt.
Letzteres ist auch Steffen KUBACH bewußt, der einen darstellerisch und
stimmlich sehr bestimmten Homonay darstellte, der keinen Widerspruch duldete.
Daß ihm das in dem albernen Kostüm gelang, ist ihm noch doppelt anzurechnen.
Patrick BUSERT muß seinen Tenor mit der Fähigkeit zur intelligenten Phrasierung
und sein Spieltalent an den Ottokar verschwenden, wo ihm wenig Gelegenheit
zur Profilierung bleibt; diese nutzt er jedoch.
Mark
McCONNELL spielt und singt einen köstlichen Conte Carnero, der die meisten
Lacher des Abends ernten kann, auch im Zusammenspiel mit seinem Sekretär
(Philipp SCHWEIGER mit großer Präsenz). Hinzu kommt noch Margrit CUWIE
als resolute Mirabella mit gesunder Stimme. Jundong KIM, Enrico-Adrian
RADU, Gerd BENNEWITZ, Tomasz MYSLIWIEC, Sonja FREITAG und Birgit MACZIEY
ergänzten in den diversen kleinen Rollen.
Ludwig
PFLANZ schafft es bei seinen Dirigaten immer wieder, auch in bekannten
Operetten noch nie gehörte Nuancen zum Vorschein zu bringen, so auch an
diesem Abend. Mit seinen flotten, animierten Tempi, dem ihm bedingungslos
folgenden PHILHARMONISCHEN ORCHESTER und dem CHOR und EXTRACHOR (Leitung
Joseph FEIGL) läßt er das Stück zumindest musikalisch stattfinden. MK
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