Roman
BROGLI-SACHER, seines Zeichens Lübecker Operndirektor und GMD in Personalunion
präsentierte seine erste Inszenierung an seiner Wirkungsstätte und übernahm
auch die musikalische Leitung.
Er
hielt zwar das Orchester gut zusammen und wählte auch zur Feier des Tages
keine schleppenden Tempi. Leider fehlte es jedoch komplett an der schwülen,
mystischen Erotik, die die Musik stets zu atmen scheint. Es klang weniger
nach geheimnisvollem Orient, sondern eher nach einer klischeehaft-derben
Ruhrpott-Kneipe... Zudem spielten die LÜBECKER PHILHARMONIKER mit einer
Lautstärke, die den Protagonisten die Möglichkeit raubte, mehr aus deren
Rollen zu machen.
Die
Inszenierung hingegen gefiel durchaus, wenngleich zu konstatieren ist,
daß das Bühnenbild die Regie sehr dominierte, das Ulrike RADICHEVICH -
in Zusammenarbeit mit Klaus Emil ZIMMERMANN (Licht-Design) und Katharina
SPUIDA (Video-Design mit Radichevich) - auf zwei mittels eines gekrümmten
Steges verbundenen Ebenen gestaltete. Dieses gelang äußerst stimmungsvoll
in (vielleicht eine Spur zu) dunkel schimmernden Farben. Zu Grunde lag
das Bild "Ad Parnassum" von Paul Klee, das wirklich hervorragend zu dem
Werk paßt und sehr gut auf die Bühne appliziert wurde.
Die
Personenführung war durch die Bank weg im besten Sinne des Wortes solide.
Jedoch war mir die Figur der Herodias zu überzeichnet, was durch die Darstellerin
noch forciert wurde. M.E. ist sie keine hysterische Furie, sondern der
ruhende, alles bestimmende Gegenpol zum "leicht" verwirrten Herodes, ohne
die er ja wohl kaum regierungs-, geschweige denn lebensfähig wäre... Sehr
gefallen konnte die Beziehung von Herodias zu Salome, die zunächst durch
die räumliche Distanz dargestellt wurde (Mutter und Tochter auf verschiedenen
Ebenen). Wenn Salome jedoch nach ihrem Tanz sich dazu durchzuringen scheint,
ihren Willen zu befolgen (den Kopf des Jochanaan), wird die Distanz aufgebrochen.
Der von Martina WÜST choreographierte Tanz beginnt sehr langsam und steigert
sich für meine Begriffe zu plötzlich.
Manuela
UHL meisterte die Titelpartie ohne Fehl und Tadel. Sie gestaltete die
Rolle mehr als solide und konnte mit einigen tollen piani aufwarten -
so das Orchester sie denn ließ... Von der Interpretation war ihre Salome
eher von der reiferen Sorte. Ich vermißte ein wenig das kindliche Element.
Ihre Darstellung war ebenfalls sehr gelungen, wobei der Schleiertanz zu
Beginn irgendwie fast teilnahmslos aussah (aussehen mußte?).
Antonio
YANG (Jochanaan) konnte mit seiner großen, runden Stimme nach seinem Alberich
und Rigoletto (und dem Vernehmen nach auch seinem Gérard) einmal mehr
unter Beweis stellen, was für ein vielseitiger Sänger er ist. Ich hätte
mir jedoch ein paar mehr Zwischentöne gewünscht, die unter einem sensibleren
Dirigat sicherlich eher möglich gewesen wären. Jedenfalls darf man auf
Yangs Entwicklung sehr gespannt sein!
Matthias
GRÄTZEL (Herodes) hat zweifelsohne die Stimme für Charaktertenor-Rollen,
allerdings enervierte sein Dauerforte und die komplett eindimensionale
Interpretation sehr schnell. Seine Gattin Herodias wurde von Roswitha
C. MÜLLER verkörpert. Sie war mir viel zu fahrig von der Darstellung und
zu hysterisch vom Gesang her. Ich hätte mir gewünscht, daß sie der Regie
ein bißchen entgegenarbeitet und mehr Coolness und Klasse in die Rolle
legt.
Vielleicht
wäre Sandra MAXHEIMER die bessere Besetzung für diese Rolle gewesen. Bei
ihrem Pagen gab es nichts zu beanstanden. Daniel SZEILI sang einen grundsoliden
Narraboth.
Das
Judenquintett war mit Patrick BUSERT, Mark MacCONELL, Joao CARRERA, Enrico-Adrian
RADU und Yong-Ho CHOI (der auch den Sklaven sang) sehr hochkarätig besetzt.
In Anbetracht der allseits bekannten szenischen Fähigkeiten dieser Sänger,
hätte die Regie dem Affen hier gerne mehr Zucker geben dürfen.
Ivan
LOVRIC-CAPARIN und Kyung-Jin JANG als Nazarener, sowie Young-Soo RYU und
Róberth TÓTH als Soldaten (die bedauernswerterweise den ganzen Abend auf
der Bühne herumzustehen hatten...) sangen insgesamt auf hohem Niveau.
Alles
in allem ist es sicher nicht der große Wurf geworden, aber doch eine durchaus
sehens- und hörenswerte Produktion, die mehr Zuspruch verdient hätte -
in meiner Vorstellung saß ich am Schluß alleine im 3. Rang - die wenigen
dortigen Besucher gingen nach und nach. Erstaunt, ja, fast verwirrt nahm
ich die ca. zehnsekündige Stille nach der Aufführung äußerst wohlwollend
zur Kenntnis - und das trotz einer Schulklasse! Es geschehen noch Zeichen
und Wunder... WFS
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