"ORPHEUS IN DER UNTERWELT" - 20. Januar 2008

Helga WOLF hat schon mehrfach ihre Fähigkeiten bewiesen, Stücke mit Timing, Tempo und vor allem einfachen Mitteln auf die Bühne zu stellen. Auch bei "Orpheus in der Unterwelt" gelang dies wieder. Bei dieser Regisseurin ist immer wieder zu bewundern, wie sie auf kleine liebevolle Details achtet, und wie es ihr gelingt, auf Sänger einzugehen und deren darstellerisches Vermögen herauszukitzeln. Nur in wenigen Fällen klappt dies nicht, was vermutlich jedoch eher diesen Darstellern anzulasten ist.

Das Stück, in Lübeck in deutscher Sprache dargeboten, spielt in kargen Bühnenbildern, die im zweiten Akt nicht nur vage an Nibelheim aus der aktuellen "Rheingold"-Produktion erinnern (Bühnenbild und Kostüme Markus PYSALL). Ein großer Lacher sind die den angeblichen Aristeus begleitenden "Drei Schäfchen für Pluto" im Playboy-Bunny-Look. Nur beim Can-Can hätte man sich gewünscht, daß dieser lieber den bekanntermaßen in tänzerischer Beziehung nicht unbegabten Solisten anstatt den doch wenig aufregenden Tänzerinnen anvertraut worden wäre. Immerhin gelang es der Choreographie (auch Helga Wolf), sogar diesem Stück noch originelle Aspekte abzugewinnen.

Musikalisch ist die Produktion, sieht man von zwei - leider gravierenden - Ausnahmen ab, ein Gewinn. Patrick BUSERT (Orpheus) mußte sich als indisponiert ansagen lassen. Stimmlich war dies nicht zu bemerken, alle Töne saßen, der Tenor phrasierte überaus wortdeutlich und mit Sinn für die Wortwitze. Nur im Spiel wirkte er etwas gebremster als gewohnt. Der Pluto war bei Steffen KUBACH bestens aufgehoben. Sowohl in der Phrasierung als auch in der Darstellung mit diversen sehr spontan wirkenden Einfällen war er ein extrem cooler Gott der Unterwelt. Auch wenn es an dieser Stelle schon wiederholt angemerkt wurde, für die leichte Muse ist er sicherlich eine der besten Besetzungen seiner Stimmlage überhaupt.

Bei den Göttern des Olymps ist João CARRERA als Merkur unangefochtener Star. Angetan mit Sneakers und Radlerhose tobt der Tenor über die Bühne, meistert sein Couplet ohne jede Einschränkung und empfiehlt sich für größere Aufgaben. Yong-Ho CHOI verkörpert Mars weniger auffällig, jedoch nicht weniger kompetent. Therese MEINIG als Cupido verfügt über keine riesige Stimme, stellt aber den frechen, vorlauten Liebesgott perfekt dar.

Die Göttinnen werden von Chantal MATHIAS als Diana dominiert, die mit sichtbarem Spaß bei der Sache ist, und natürlich eine absolute Luxusbesetzung darstellt. Sie hätte man gerne als Eurydike gehört. Die Venus von Sandra MAXHEIMER, gekleidet und dargestellt als Sexbombe à la Rita Hayworth, macht auch stimmlich Vergnügen. Margit CUWIE ist als ehrfurchtsgebietende Juno der wahre Boß des Olymps. Minerva Daniela WÖHLER fällt dagegen etwas ab, die Stimme ist im direkten Vergleich zu den Kolleginnen nicht groß genug.

Die öffentliche Meinung wird von Roswitha C. MÜLLER als strenger, aber nicht unattraktiver Gouvernantentyp dargestellt, der zu seiner eigenen Überraschung nicht uninteressiert an Pluto ist. Es ist auch nicht von Nachteil, daß die Partie von einer angenehmen Opernstimme gesungen wird statt wie so häufig von einer alternden Chansonette. Hans Styx (Dietrich NEUMANN) hingegen verfügt über keine besondere Stimme, ist jedoch als Figur genau richtig und weiß, seine Pointen zu setzen.

Die Wermutstropfen des Abends sind allerdings Andrea STADEL (Eurydike) und besonders Mario DIAZ (Jupiter). Stadel gefiel sich in allzu neckischem Geschmolle und einer Beliebigkeit im Gesanglichen. Dazu kamen noch etliche angestrengte Spitzentöne. Was auch immer die Chefs des Olymps und des Hades in ihr sehen mochten, blieb verborgen. Diaz' Stimme zeigte auch diesmal die schon häufiger erwähnten Probleme in den engen, angestrengten Höhen, die einem schon beim Zuhören den Hals zuschnürten. In den Dialogen war Diaz kaum verständlich, in der Darstellung entschieden nicht komisch. Herumgehüpfe und Gekiekse sind nicht gleich Komik.

Nachdem Ludwig PFLANZ bei den "Les Miserables" geradezu durch die Partitur raste, hat er nun wieder zu einer gewohnt guten Leistung am Pult des PHILHARMONISCHEN ORCHESTERs gefunden. Jedes kleine ironische Detail wird ausmusiziert. Das Orchester folgt hierbei bedingungslos. Violinist Adrian ILIESCU leistet Großes in seinen bzw. Orpheus' Soli. Der CHOR (Leitung Joseph FEIGL) hat zwei oder drei kleine Ausstiege zu beklagen, ist ansonsten jedoch in guter Form. MK