Helga
WOLF hat schon mehrfach ihre Fähigkeiten bewiesen, Stücke mit Timing,
Tempo und vor allem einfachen Mitteln auf die Bühne zu stellen. Auch bei
"Orpheus in der Unterwelt" gelang dies wieder. Bei dieser Regisseurin
ist immer wieder zu bewundern, wie sie auf kleine liebevolle Details achtet,
und wie es ihr gelingt, auf Sänger einzugehen und deren darstellerisches
Vermögen herauszukitzeln. Nur in wenigen Fällen klappt dies nicht, was
vermutlich jedoch eher diesen Darstellern anzulasten ist.
Das
Stück, in Lübeck in deutscher Sprache dargeboten, spielt in kargen Bühnenbildern,
die im zweiten Akt nicht nur vage an Nibelheim aus der aktuellen "Rheingold"-Produktion
erinnern (Bühnenbild und Kostüme Markus PYSALL). Ein großer Lacher sind
die den angeblichen Aristeus begleitenden "Drei Schäfchen für Pluto" im
Playboy-Bunny-Look. Nur beim Can-Can hätte man sich gewünscht, daß dieser
lieber den bekanntermaßen in tänzerischer Beziehung nicht unbegabten Solisten
anstatt den doch wenig aufregenden Tänzerinnen anvertraut worden wäre.
Immerhin gelang es der Choreographie (auch Helga Wolf), sogar diesem Stück
noch originelle Aspekte abzugewinnen.
Musikalisch
ist die Produktion, sieht man von zwei - leider gravierenden - Ausnahmen
ab, ein Gewinn. Patrick BUSERT (Orpheus) mußte sich als indisponiert ansagen
lassen. Stimmlich war dies nicht zu bemerken, alle Töne saßen, der Tenor
phrasierte überaus wortdeutlich und mit Sinn für die Wortwitze. Nur im
Spiel wirkte er etwas gebremster als gewohnt. Der
Pluto war bei Steffen KUBACH bestens aufgehoben. Sowohl in der Phrasierung
als auch in der Darstellung mit diversen sehr spontan wirkenden Einfällen
war er ein extrem cooler Gott der Unterwelt. Auch wenn es an dieser Stelle
schon wiederholt angemerkt wurde, für die leichte Muse ist er sicherlich
eine der besten Besetzungen seiner Stimmlage überhaupt.
Bei
den Göttern des Olymps ist João CARRERA als Merkur unangefochtener Star.
Angetan mit Sneakers und Radlerhose tobt der Tenor über die Bühne, meistert
sein Couplet ohne jede Einschränkung und empfiehlt sich für größere Aufgaben.
Yong-Ho CHOI verkörpert Mars weniger auffällig, jedoch nicht weniger kompetent.
Therese MEINIG als Cupido verfügt über keine riesige Stimme, stellt aber
den frechen, vorlauten Liebesgott perfekt dar.
Die
Göttinnen werden von Chantal MATHIAS als Diana dominiert, die mit sichtbarem
Spaß bei der Sache ist, und natürlich eine absolute Luxusbesetzung darstellt.
Sie hätte man gerne als Eurydike gehört. Die Venus von Sandra MAXHEIMER,
gekleidet und dargestellt als Sexbombe à la Rita Hayworth, macht auch
stimmlich Vergnügen. Margit CUWIE ist als ehrfurchtsgebietende Juno der
wahre Boß des Olymps. Minerva Daniela WÖHLER fällt dagegen etwas ab, die
Stimme ist im direkten Vergleich zu den Kolleginnen nicht groß genug.
Die
öffentliche Meinung wird von Roswitha C. MÜLLER als strenger, aber nicht
unattraktiver Gouvernantentyp dargestellt, der zu seiner eigenen Überraschung
nicht uninteressiert an Pluto ist. Es ist auch nicht von Nachteil, daß
die Partie von einer angenehmen Opernstimme gesungen wird statt wie so
häufig von einer alternden Chansonette. Hans Styx (Dietrich NEUMANN) hingegen
verfügt über keine besondere Stimme, ist jedoch als Figur genau richtig
und weiß, seine Pointen zu setzen.
Die
Wermutstropfen des Abends sind allerdings Andrea STADEL (Eurydike) und
besonders Mario DIAZ (Jupiter). Stadel gefiel sich in allzu neckischem
Geschmolle und einer Beliebigkeit im Gesanglichen. Dazu kamen noch etliche
angestrengte Spitzentöne. Was auch immer die Chefs des Olymps und des
Hades in ihr sehen mochten, blieb verborgen. Diaz' Stimme zeigte auch
diesmal die schon häufiger erwähnten Probleme in den engen, angestrengten
Höhen, die einem schon beim Zuhören den Hals zuschnürten. In den Dialogen
war Diaz kaum verständlich, in der Darstellung entschieden nicht komisch.
Herumgehüpfe und Gekiekse sind nicht gleich Komik.
Nachdem
Ludwig PFLANZ bei den "Les Miserables" geradezu durch die Partitur raste,
hat er nun wieder zu einer gewohnt guten Leistung am Pult des PHILHARMONISCHEN
ORCHESTERs gefunden. Jedes kleine ironische Detail wird ausmusiziert.
Das Orchester folgt hierbei bedingungslos. Violinist Adrian ILIESCU leistet
Großes in seinen bzw. Orpheus' Soli. Der CHOR (Leitung Joseph FEIGL) hat
zwei oder drei kleine Ausstiege zu beklagen, ist ansonsten jedoch in guter
Form. MK
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