Was
gibt es Neues in Lübeck? Dem dortigen Theater ist es noch rechtzeitig
am Freitag vor der ersten Musiktheaterpremiere gelungen, die neue Website
online zu stellen, der Lübecker Hauptbahnhof ist zu unserer Überraschung
tatsächlich fertig - und "Das Rheingold" gehört seit diesem Samstagabend
endgültig zu den Wagner-Opern, die Spaß machen.
Eine
wesentliche Mitschuld an letzterem trägt definitiv der Regisseur Anthony
PILAVACHI. Er schuf mittels einer ausgefeilten Personenregie und einer
gründlichen Auseinandersetzung mit jeder einzelnen Figur eine rundum gelungene,
mit vielen kleinen Ideen durchsetzte, stets auf die Musik ausgerichtete
Interpretation.
Zuviel
vom Bühnengeschehen zu verraten, würde die Inszenierung der Überraschungseffekte
berauben. Nur soviel sei gesagt, vom italoamerikanischen Mafiamilieu bis
hin zum gemeinen Splattermovie ist fast alles dabei, der Bruderzwist Donner
vs. Froh wurde u.a. mittels einer Zeitschrift, die verdächtig nach der
aktuellen "Opernglas"-Ausgabe aussah, ausgetragen, und Fasolt und Fafner
sind ein neues Lieblings-Tag-Team.
Das
Bühnenbild von Momme RÖHRBEIN und die Kostüme (Angelika RIECK) ergänzten
die Regieideen perfekt. Sowohl die "Urtiefen des Rheins", als auch Alberichs
Verwandlungen in Schlange und Kröte (okay, eher ein Frosch) und der Weg
der Götter nach Walhall sind mittels einfacher, aber wirkungsvoller Theatereffekte
reizvoll gelöst.
Doch
auch das Sängerensemble hatte einen großen Anteil an diesem gelungenen
Opernabend. Gäste und Ensemblemitglieder des Theaters bildeten eine harmonische
Besetzung bis in die letzte Rolle hinein.
Als
Wotan mit Coolness und eindrucksvoller Stimme stellte sich Stefan HEIDEMANN
vor, der mit Sicherheit noch nicht am Ende seiner stimmlichen Entwicklung
angekommen ist. Die Anforderungen von Partie und Inszenierung meisterte
er gleichermaßen ohne mit der Wimper zu zucken, ein Göttervater mit Autorität
und Präsenz.
Daß
Alberich weder häßlich vom Aussehen, noch von der Stimme her sein muß,
um die Partie wirkungsvoll zu verkörpern, bewies Antonio YANG, der den
Nibelungen sehr agil spielte und mit seinem makellosen Baß zu beeindrucken
wußte.
Überhaupt
war dies ein Abend der beeindruckenden Bässe. Fasolt (Andreas HALLER)
und Fafner (Gary JANKOWSKI) klangen beide untadelig. Hinzu kam eine umfassende
Wortdeutlichkeit, die nur noch vom Temperament beider Riesen-Darsteller
zu schlagen war.
John
PICKERING ließ als Loge die Hinterlist und Scheinheiligkeit der Figur
vermissen. Insbesondere am Schluß ging er schlicht im Bühnengeschehen
unter. Auch stimmlich war er der Schwächste des musikalisch erstklassigen
Ensembles. Einige heisere Töne ließen sich anscheinend nicht vermeiden
und auch eine gewisse Anstrengung war nicht zu überhören.
Das
übrige "Göttergezücht" wurde durch Regie und Besetzung gleichermaßen aus
der Existenz als reine Stichwortgeber befreit. Natürlich ist eine Fricka
vom Format Veronika WALDNERs an sich bereits nicht zu übersehen/-hören.
Hoheitsvoll sogar noch im Apfelentzug, mit einem nicht eine Spur zickigem
Mezzo bewies die Künstlerin mimische wie gesangliche Vollkommenheit.
Chantal
MATHIAS zeigte eine Freia abseits des lieblichen Klischees und verlieh
der Figur eine tragikkomische Note (ihr Kostüm trug sie mit bewundernswerter
Noblesse). Ihr glockenheller Sopran hat weiter an Wärme und Tragfähigkeit
gewonnen.
Geschwisterzwist
vom Feinsten bekam man von Donner (Gerard QUINN) und Froh (Kyung-Jin JANG)
zu sehen. Bewegungs- und spielfreudig präsentierten sie eine ganz eigene
Show in der Show, konnten aber trotz allem nicht verbergen, welch zwei
exzellente Sängerdarsteller hier mit den Partien betraut waren. Durch
hohe Musikalität und seinen exzellent geführten Bariton bewies insbesondere
Gerard Quinn, daß sich mittlerweile auch die eine oder andere größere
Partie dieses Fachs anbieten dürfte.
Die
sich als lohnenswert herausstellende Aufgabe, Mime Gestalt und Stimme
zu verleihen, oblag Patrick BUSERT. Nachdrücklich brachte der Tenor die
Qual seines Charakters zum Vorschein, sang dabei bombensicher und höhenstark.
Es steht zu hoffen, daß das Lübecker Theater sich auch in den weiteren
"Ring"-Teilen auf die Stärken des eignen Ensembles verläßt.
Als
Rheintöchter klangen Sonja FREITAG (Woglinde), Roswitha C. MÜLLER (Wellgunde)
und Sandra MAXHEIMER (Floßhilde) sehr homogen. Der sonst z.T. recht langwierige
Anfang der Oper wurde durch ihre Spielfreude, die Wortdeutlichkeit und
dem in allen drei Partien akkuraten Gesang zu einer spannenden Szene.
Von
Ulrike SCHNEIDER wünscht man sich definitiv noch weitere Auftritte und
längere Partien als die der Erda. In jedem Fall hinterließ sie einen vielversprechenden
Eindruck. Ihr zur Seite zeigte sich Louise HEGGE als "Kleine Brünhilde"
bereits sehr bühnenfest für ihr Alter.
Das
Dirigat von Roman BROGLI-SACHER hatte auch diesmal seine Längen, wirkte
aber weniger episch als sonst, und als die ersten, langgehaltenen Töne
des Abends hatten befürchten lassen. Unter seiner Leitung spielte das
PHILHARMONISCHE ORCHESTER bis auf zwei, allerdings eklatante, Patzer im
Blech fehlerfrei.
Das
Theater Lübeck beginnt seinen Ring-Zyklus vielversprechend, sehens- und
hörenswert. Definitiv ein guter Grund, sich auf den Weg in den Norden
zu machen. AHS & MK
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