In
der Lübecker Variante von Brittens Oper über die absurden Blüten, die
die sprichwörtliche Piefigkeit einer Kleinstadt treiben kann, tobt das
Leben vor und hinter dem Deich (Bühne und Kostüme: Julia HANSEN) von Loksburg
(nicht Loxford).
Die
Inszenierung (Mariame CLÉMENT) tut nicht weh, ist aber - von einigen gelungenen
Einfällen abgesehen (wie z.B. die sich anbahnende Beziehung zwischen Miss
Wordsworth und Mr. Gedge und die kleinen stetig wieder auftauchenden Eigenheiten
der Figuren) - auch nicht der große szenische Wurf. Ein großes Plus ist,
daß dem Stück jenseits vom psychologischen Gedeutel im Programmheft seine
Komik gelassen wurde, und man immer wieder herzlich lachen kann - so man
denn möchte (siehe unten).
Gesungen
wird auf Deutsch, was schade ist, der exzellenten musikalischen Darbietung
aber nicht gravierend im Wege steht.
Dies
war neben der souveränen wie musikalischen Leitung des Abends durch Frank
Maximilian HUBE und dem PHILHARMONISCHEN ORCHESTER mit einem mustergültigen
Abend dem durchweg guten Ensemble auf der Bühne zu verdanken.
So
zeigte Patrick BUSERT in der Titelpartie, daß er nicht nur zum formvollendeten
Tragen eines Blütenkranzes prädestiniert ist. Seine Stimme ist wieder
ein Stück größer geworden, ohne dabei ihre Schönheit und Flexibilität
zu verlieren. Das bereits oft bewiesenes Gespür, genau die Balance zwischen
Komik und Tragik der Figur zu treffen, ist ideal für Albert Herring. Ein
berührendes Rollenporträt.
Der
Abend brachte außerdem ein Wiederhören mit Veronika WALDNER, die Mrs.
Herring als tragikkomische Charakterstudie einer mit Sohn und Situation
überforderten Mutter zeichnete, ohne ins übertrieben Melodramatische abzurutschen.
Das
"Komitee zur Wahl der Maikönigin" zeigte nicht nur mittels kleiner Showeinlage
seine tänzerischen Fähigkeiten auf (Braucht das Haus da wirklich noch
ein Ballett? *LOL*), sondern konnte sich auch gesanglich profilieren.
Allen voran Anna Maria DUR als Lady Billows und Nadine WEISSMANN (Florence
Pike). Die beiden Moralapostel des Ortes wurden von ihren Interpretinnen
gekonnt karikiert und gesungen.
Gleiches
gilt für Gerard QUINN, der als Mr. Gedge neben dem selbstredend makellosen
Gesang wieder einmal die Gelegenheit erhielt, sein komisches Talent auf
der Bühne auszuleben. Dem Pfarrer zur Seite gestellt wurde Miss Wordsworth,
wobei zu vermuten steht, daß die beiden ein Jane-Austen-mäßiges
Happy-end bekommen werden. Stefanie KUNSCHKE zeigte, wie man eine "graue
Maus" auf die Bühne bringt, ohne trutschig zu sein. Die Grundschullehrerin
war ihre vorerst letzte Partie in Lübeck. Sie verläßt das Theater, was
sehr schade ist.
Andreas
HALLER polterte baßgewaltig über die Bühne. Sein Polizeichef Mr. Budd
hätte ob der Authentizität in jedem norddeutschen "Tatort" gute Chancen.
Leider fiel die Leistung von Matthias GRÄTZEL den anderen gegenüber sehr
ab (Bitte nicht so unkultiviert schreien! Die Akustik des Theaters Lübeck
ist wirklich recht gut.).
Zu
dieser Gruppe Loksburger kamen Sid und Nancy, die dank des Rum für die
Limonade Stimmung in die Feierlichkeiten bringen und Alberts Mut zur Wandlung
einleiten. Steffen KUBACH als herrlich prolliger Metzgerbursche und Astrid
VON FEDER ergänzten sich ideal.
Ann-Kathrin
SCHMIDT (Emmy), Antonia REINLÄNDER (Siss) und Lukas Leon GOTTWALD (Harry)
bewältigten trotz ihres Alters ihre Aufgaben sehr gut und konnten sich
stimmlich neben ihren Kollegen behaupten, ohne sich in Übertreibungen
zu flüchten.
Zum
Schluß noch eine Bemerkung ans Publikum: Liebe Lübecker, "Albert Herring"
ist trotz all der Ereignisse und Wendungen der Handlung eine komische
Oper. Es darf also ein bißchen mehr gelacht werden, insbesondere, wenn
das, was auf der Bühne passiert, derart komisch ist.
Mehr
Stimmung im Zuschauerraum hätte dem Abend sicher nicht geschadet, aber
vielleicht bekommen wir das noch, wenn wir eine der nächsten Aufführungen
(Wiederaufnahme ab Herbst 2006) besuchen. AHS
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