In
Lübeck swingt erneut die Operette, und man kann wieder einmal herzlich
lachen.
Wolf
WIDDER hat dieses Werk von Emmerich Kálmán gefällig verpackt, aber auch
mit einer Prise Geschichtsunterricht versehen, ohne dabei zu sehr den
politisch wertenden Zeigefinger zu heben. Der Regisseur erzählt mit seiner
Inszenierung die Geschichte, die von Komponist und Librettisten geschrieben
wurde. Das ist schon viel heutzutage. Die Charaktere sind gut ausgearbeitet
und in den Beziehungen zueinander stimmig. So funktioniert Operette. Und
wenn Boni im dritten Akt seinen Einberufungsbefehl bekommt und der Operettenglitzer
langsam verpackt wird, sagt das mehr als aberwitzige Regietheatereinfälle
mit Kriegsgreuel.
Das
Bühnenbild (Sybille SCHMALBOCK) ist angemessen bunt, ohne zu kitschig
zu wirken, und die Kostüme (Pierre ALBERT) sind zeitgemäß, z.T. etwas
ausgefallen, aber nie wirklich übertrieben. Die tänzerischen Leistungen
der "Mädis vom Chantant" waren - im Gegensatz zu denen der Herren vom
Chor - allerdings wenig ansprechend (Choreographie Pascale CHEVROTON)
Doch
was wäre diese Produktion ohne Patrick BUSERT als Boni? Der Tenor ist
sich nicht zu schade, auch bei der leichten Muse sein eindrucksvolles
musikalisches Können zu Gehör zu bringen, und so ist dem Publikum vergönnt,
schön phrasierten Gesang mit mozartesken Anklängen zu hören. Dazu kommt
die darstellerische Intensität, die ihn auch diesmal zu Mittelpunkt jeder
Szene werden läßt.
Operette
braucht eben Tempo, Timing und Charme, und Patrick Busert hat all dies
im Überfluß. Man traut ihm glatt zu, den am Ende ausbrechenden Krieg mit
der treuherzigen running gag-Frage "Bin ich dein Freund?" allein beenden
zu können. Zu Recht erhielt der Tenor auch den größten Applaus des Abends.
Ihm
ebenbürtig mit klaren, frischen Sopran Stefanie KUNSCHKE als erstaunlich
emanzipierter Stasi, an der der leichtlebige Graf noch so seine Freude
haben dürfte. Hinzu kommt noch die Fähigkeit, banale Dialoge weniger banal
klingen zu lassen, als sie sind, tänzerisches Talent und eine bezaubernde
Erscheinung.
Weitaus
schlechter war es da um das "erste" Paar bestellt, was hier es nur auf
den dritten Platz der Paare schaffte. Wenig Temperament besitzt Tonje
HAUGLAND, was für eine Sylva Varescu fatal ist. Außerdem fehlt es ihr
an Wortdeutlichkeit und an jeglichem tänzerischem Talent. Jegliche Form
weiblichen Charmes wäre beim Edwin von Marc HORUS allerdings auch verschwendet.
Er wirkt blaß, fad. Bar jeglicher Persönlichkeit scheint er just einer
der z.Zt. so populären Endlosserien entsprungen. Zudem neigt er dazu,
seine Stimme in den höheren Lage aufzureißen, was meist zu wenig schönen
Ergebnissen führt. Zwischen beiden Sängern war auch nicht die Spur eines
Knisterns zu spüren, so daß man sich fragen mußte, was wollen die eigentlich
miteinander?
Da
war das Zusammenspiel der "älteren Herrschaften" um Klassen prickelnder.
Frieder STRICKER überraschte als Fürst Leopold Maria mit großem Talent
beim Walzertanzen und war als Typ ausreichend trottelig, ohne zu übertreiben.
Margrit CUWIE als Anhilte ist, obgleich sie bis kurz vor dem Finale wenig
mehr als Stichworte zu geben hat, ihm da eine kongeniale Partnerin.
Eine
Bank bei der leichten Muse ist immer wieder Steffen KUBACH (Feri von Kerekes).
Mit sichtlichem Spaß an der Sache, ohne aus dem etwas schrägen Charakter
eine billige Parodie zu machen, tobte er singend und tanzend über die
Bühne und fand dann für das Ende des ersten Aktes, wo Feri nach aufgelöster
Party allein zurückbleibt, überraschend melancholisch-profunde Töne.
In
den kleineren Rollen fallen der sehr preußisch-präsente Till BLECKWEDEL
(Eugen von Rohnsdorff), Joao CARRERA als Botschafter MacGrave mit echt
wirkendem Akzent sowie Mark McCONNELL als grantelnder Notar Kisch positiv
auf.
Dirigent
Ludwig PFLANZ dürfte in der Lage sein, uns musikalisch fast jede Operette
schmackhaft zu machen. Es erstaunt immer wieder, wie sehr diese Stücke
durch ein frisches Dirigat gewinnen und jeglichem Kitsch entkleidet werden,
ohne daß das Schwelgerische vollkommen vernachlässigt wird. Das PHILHARMONISCHE
ORCHESTER folgte den Intentionen des Dirigenten vorbehaltlos. MK & AHS
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