Der
Verdi-Schiller-Zyklus am Theater Lübeck wurde in dieser Spielzeit mit
der ersten Premiere um eine weitere Oper erweitert – somit fehlt nur noch
„Luisa Miller“. Leider wurde die Produktion wieder dem Regisseur Dieter
KAEGI und seiner Ausstatterin Stefanie PASTERKAMP anvertraut.
Ich
habe es mir schon lange abgewöhnt, noch großartig über die Inszenierungen
von Kaegi nachzudenken – es bringt eh nichts. Ich hatte und habe nicht
den Eindruck, daß er sich sonderlich mit dem Stoff auseinandergesetzt
hat. Von Personenführung kann keine Rede sein. Er enthält den Charakteren
schicht und ergreifend logische Reaktionen vor. Z.B. kann man in keiner
Weise erkennen, daß Posa und Carlo in irgendeiner Art und Weise echte
Freunde sind (Sorry, aber die Musik Verdis spricht da eine ganz andere
Sprache), anders kann ich mir nicht erklären, daß Posa Carlo mit geöffneten
Pulsadern in der ersten Szene des zweiten Aktes rumrennen läßt, als wäre
nichts geschehen (nach dem Motto „Verreck’ doch, mein Freund“) – dem geht
es übrigens auch erstaunlich gut dabei. Dafür schmiert er (Posa) dann
Eboli Blut ans Kleid (EIN SYMBOL, EIN SYMBOL!!!). Außerdem läßt selbiger
seinen Freund auch seelenruhig im Autodafé seinen Vater mit dem „Degen“
(resp. der Pistole – was ist an „A me il ferro“ mißzuverstehen?) attackieren
und macht nicht die geringsten Anstalten, ihn von dem Eklat abzuhalten.
Machen das Freunde nicht für gewöhnlich? Überhaupt ist das ganze Autodafé
nur zum Schnarchen. Gerade diese Szene ist doch DIE Möglichkeit an Sachen
wie Sensationsgier etc. Kritik zu üben. Stattdessen sitzen alle auf ihren
Stühlen und verfolgen die in einem Haus stattfindende (!) Ketzerverbrennung
offenbar durch eine kleine Tür – das gibt Rückenschmerzen...
Auch
wenn es im ersten Augenblick als durchaus sinnig erscheinen könnte, Elisabettas
Arie als Grabrede auf der Trauerfeier am aufgebahrten Leichnam von Posa
zu inszenieren, ergeben sich doch daraus ziemliche Widersprüche: Kriegen
Verräter wie der Marquis eine festliche Beerdigung, oder wären deren Leichen
in der damaligen Zeit nicht viel eher hinter einem Pferd durch die Stadt
geschleift worden o.ä.? Wenn Elisabetta schon nicht alleine am Hofe in
einem Raum sein darf, ohne daß eine Hofdame verbannt wird, warum darf
sie dann eine solche Festivität leiten? Hätten die anwesenden Leute in
der Zeit der Inquisition, als man seine Nachbarin schon der Hexerei anzeigte,
wenn sie im Besitz eines Besens und einer schwarzen Katze war, die Anspielungen
auf den möglichen Ehebruch der Königin so teilnahmslos über sich ergehen
lassen, ohne sie stante pede der Inquisition zum Fraß vorzuwerfen? - Ich
lasse diese Fragen einfach mal im Raum stehen...
Die
Kostüme waren (mit Ausnahme der Ku-Klux-Mönche und der feinen Robe in
der Kerker-Szene) relativ schlicht und im Großen und Ganzen angemessen
gehalten. Während die Herren in schwarzen Anzügen (oder Hemden) gekleidet
waren (Phillip sah im Autodafè genauso aus, wie alle anderen Herren...),
trugen die Damen Kleider. Die Bühne kam mit wenig Requisiten aus.
Sehr
erfreulich waren die meisten sängerischen Leistungen. In der Titelpartie
ließ der für Mario Diaz eingesprungene Erin CAVES aufhorchen, der über
einen sehr ansprechenden Tenor verfügt, den er gewinnbringend einsetzte.
Man merkte zwar schon, daß der Carlo für ihn noch eine grenzwertige Rolle
darstellt (im Autodafé ist ihm der eine oder andere hohe Ton in der Kehle
steckengeblieben ), aber er zeigte auch durchaus, daß in ihm weit mehr
steckt. Man gebe ihm einen guten Regisseur, einen tollen Dirigenten und
etwas Zeit, dann kann aus ihm was werden. Man darf gespannt sein!
Sein
„Freund“ Posa wurde von Gerard QUINN mit noblem Bariton gesungen. Er zeigte
erneut, was für ein grandioser Interpret und Stilist er doch ist. Szenen
mit ihm wurden immer zu einem großen Erlebnis, da er wirklich immer und
mit jeder einzelnen Phrase mitzureißen vermochte, sei es in seinem leidenschaftlichen
Werben für Flandern im Duett mit Phillipp, sei es in seiner ergreifenden
Todes-Szene.
Mit
Mardi BYERS wurde für die Elisabetta eine hervorragende Sängerin aufgeboten,
die es wahrhaftig verstand, die Partie zu durchdringen. Ihr gelang ein
rundum tolles Portrait der Figur. Ihre Stimme scheint von Partie zu Partie
sich besser in das Fach das lyrischen Verdi-Soprans mit dramatischer Attitüde
einzufügen. Ich bin sehr darauf gespannt, wie nun in dieser Saison ihre
Tosca sich anhören wird, die nach einer Pause wieder aufgenommen wird.
Einziger
vokaler Schwachpunkt war für mich Leandra OVERMANN als Eboli, die die
Prinzessin als eine Art psychopathisch-blutrünstiger Brünnhilden-Schwester
der Lady Macbeth anlegt und mit ihrer riesigen Stimme teils eigenartige
Laute produziert. Derartige Figuren schmieden keine hinterhältigen Intrigen
wie Eboli, sondern legen ihren Feinden Pferdeköpfe ins Bett – evtl. mit
dem einen oder andere Zahnabdruck an selbigem... Sicherlich kann man Overmann
nicht vorhalten, daß sie nichts aus der Partie machen würde, aber ich
kann mit dieser Art des Singens so absolut gar nichts anfangen. Ich mag
zwar Sänger, die sich in Partien reinsteigern können, aber alles hat seine
Grenzen!
Auf
hohem Niveau präsentierten sich die Bässe. Allen voran Vincent LE TEXIER
(der in der Einleitung zu seiner Arie in Feng-Shui-Manier die Einrichtungsgegenstände
im Zimmer umräumte), der mit seinem sehr interessanten Instrument dem
Philipp Profil gab und in allen Punkten überzeugte. Ihm stehen sowohl
die Mittel für den Machtmenschen und despotischen Herrscher, aber auch
für den gebrochenen Mann zur Verfügung. Seine große Arie war einfach nur
großartig und packend! Ich hoffe, daß man von ihm mehr hier hören wird.
Andreas
HALLER hätte ich den Großinquisitor kaum zugetraut, da er mir für die
bösen Rolle bisher immer zu sympathisch erschien (ein Grund, warum er
am Mephistopheles gescheitert ist). Umso erstaunter war ich, daß er es
doch schaffte, auch mal böse zu singen, was ihm zwar nicht die ganze Zeit,
aber doch zum großen Teil gelungen ist.
Unter
den Nebenpartien stach erneut Andreas BAUMEISTER als mystischer Mönch
hervor. Joao CARRERA gab einen tollen Lerma, Katharina SCHUTZA empfahl
sich als Tebaldo für Größeres, Chantal MATHIAS sang mit nicht ganz sicherer
Höhe die Stimme vom Himmel. Seltsam
erscheint mir, weshalb im Programm regulär sechs flandrische Deputierte
standen, aber dort nur fünf aufgeführt und aufgeboten waren... Wie dem
auch sei, absolvierten Andreas Baumeister, Andreas BERG, Till BLECKWEDEL,
Dejan BRKIC und Philipp MÖLLER ihren Part sehr überzeugend.
Leider
kann man das nicht vom Dirigat Roman BROGLI-SACHERs behaupten, der der
Oper alles schuldig blieb, was diese Oper für mich zu einer von mir favorisierten
macht. Es war alles nur ein lauwarmer, elendig zähflüssiger Einheitsbrei,
der da im Orchestergraben herumschwamm. Es gab keine Dynamik, alles wirkte
wie nach Metronom gespielt. Wo war die Dramatik, wo das Feuer? Was hat
er dirigiert??? Also, Verdi war das nicht! Mit Ausnahme eines Fast-Schmisses
im Autodafé und eines quäkenden Tenors, leistete der HAUS- und EXTRA-CHOR
solide Arbeit. WFS
|