Intendant
Marc ADAM hat auch mit seiner zweiten Musiktheater-Produktion in Lübeck
eine solide Arbeit abgeliefert, die einige hübsche Einfälle aufweist,
aber speziell im Finale der Oper auch eine Menge Leerlauf. Generell wirkt
das Vorspiel auf der von hinten zu sehenden Theaterbühne bei geschlossenem
Vorhang (Bühnenbild Barbara RÜCKERT) dichter, gerade auch in puncto Personenregie,
als die Oper, die in einer Mischung aus griechischem Tempel und Bunker
spielt. Da ist dann doch einiges zu statuarisch, und zeitweise gerade
im Duett zwischen Ariadne und Bacchus breitet sich gepflegte Langeweile
aus. Das pyrotechnische Spektakel am Schluß der Oper war allerdings überflüssig
(oder sollte es das Publikum wecken?).
Andererseits
hat die Oper mit dem Komödiantenauftritt einen richtigen Höhepunkt, den
es im Vorspiel nicht gibt. Irgendwie weckt die Komödiantentruppe, ob beabsichtigt
oder nicht, durch die Kostümierung (Pierre ALBERT) und die Personenregie
unweigerlich Assoziationen an Dorothy, den Löwen, den Tin Man, Toto und
die Vogelscheuche aus dem „Zauberer von Oz“. Wenn Dorothy mit dem Löwen
, Verzeihung, Zerbinetta mit Harlekin verschwindet, trösten sich die anderen
drei mit einem Eis...
Das
Vorspiel wurde von Veronika WALDNER als Komponist dominiert. Nach ihrem
exemplarischen Octavian stellte sich die Sängerin hier erneut mit einer
Rolle vor, für die ihre Stimme prädestiniert ist. Jedem verzweifeltem
Ausbruch ist sie gewachsen, ohne jemals an Grenzen zu stoßen. Dazu stellt
sie auch noch einen glaubhaften jungen Mann auf die Bühne in aller seiner
Unsicherheit. Louise FRIBO als Zerbinetta kämpfte vor allem im Vorspiel
mit den Extremhöhen; das wurde in der Oper zeitweise besser, aber wirklich
begeistern konnten mich die nur angetippten Spitzentöne nicht. Zeitweise
wirkte sie zu neckisch, weder zum Komponisten, noch zur Ariadne schien
sie eine Beziehung herstellen zu können, sondern blieb allein auf sich
konzentriert.
Schwachpunkt
der Aufführung war Sarah JOHANNSEN als Ariadne. Das Anschleifen der Töne,
die dann mitunter auch nicht richtig erreicht wurden, enervierte auf Dauer,
zumal nicht einmal die darstellerische Leistung in irgendeiner Weise entschädigte,
da blieb die Sängerin steif und unbeweglich. Der Bacchus von Richard DECKER
schaffte es im Vorspiel, das eine oder andere Grinsen zu entlocken, und
auch als er in der Oper in der typischen Haltung eines Sängers auf die
Bühne kam, der mit seinem Kostüm nicht glücklich ist, lud dies zum Lachen
ein. Stimmlich sang er die Rolle ausdrucksstark, leider passierte ihm
ein Malheur, als ihm kurz nach seinem Auftritt, die Stimme völlig verrutschte.
Bewundernswert war die Nervenstärke, mit der er sich sofort wieder fing
und besser als zuvor weitersang.
Als
Musiklehrer war Steffen KUBACH ungewöhnlich diszipliniert und ging hier
jedem Wortsinn nach, ohne dabei akademisch zu klingen. Die gelegentlichen
technischen Schwierigkeiten, die man aus anderen Partien kennt, waren
hier wie weggeblasen. Der Tanzmeister wurde von Joe TURPIN souverän gesungen
und engagiert gespielt. Seine Perücke hatte allerdings erhebliche Ähnlichkeit
mit der von Grandpa Munster, so daß man jeden Moment erwartete, er würde
sich in eine Fledermaus verwandeln, was er jedoch leider unterließ. Martin
KÖHLER outrierte als Haushofmeister.
Schier
luxuriös besetzt ist das Komödiantenquartett, angeführt von Harlekin Gerard
QUINN, der seinem Lied ein Höchstmaß an Phrasierungskunst und Ausdruck
verlieh, über den stimmlich und tänzerisch überaus beweglichen Brighella
Patrick BUSERT zu dem präsenten Scaramuccio Marc HAMMAN und dem amüsanten
Truffaldin Marco STELLA. Diese vier zeichnen sich zudem durch ihre zwerchfellerschütternde
Tanznummer aus (hier gebührt der Choreographie von Pascale CHEVROTON ein
Sonderlob) und stehlen auch ansonsten jede Szene, in der sie auftreten.
Die
Nymphen sind bei Annette PFEIFER (Dryade) und Stefanie KUNSCHKE (Echo)
in besten Händen, die beiden Sängerinnen schaffen es sogar, darstellerische
Akzente zu setzen, während Lesia MACKOWYCZ (Najade) da mit dünner Stimme
deutlich abfiel.
In
den kleineren Rollen machen die Herren Benno SCHÖNING (Lakai), Andreas
BAUMEISTER (Perückenmacher) und Enrico-Adrian RADU (Offizier) nachhaltig
darauf aufmerksam, daß das Lübecker Theater auch solche Partien auf hohem
Niveau besetzen kann.
Das
PHILHARMONISCHE ORCHESTER spielt sich fehlerfrei durch den Abend, ein
bißchen mehr Drive hätte man sich jedoch von Roman BROGLI-SACHER schon
gewünscht. Gerade das Finale war reichlich spannungsarm. MK
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