Gut
gemachte Operette ist mehr als die Aneinanderreihung von ein paar guten
Ideen und das Ausfüllen der Lücken dazwischen mit platten Pointen. Es
heißt Spaß, wenn möglich mit einigem Hintersinn. Leider gelang Franziska
SEVERIN in ihrer Lübecker „Vogelhändler“- Inszenierung nicht allzu viel
davon. Die guten Ideen wirkten wie systematisch aneinandergereihte Programmnummern.
Es fehlte ein kontinuierlicher Fluß, ein Ineinandergreifen der Szenen.
Dabei
gab es durchaus schöne und witzige Momente. Gerade in der Chorregie ließen
sich sehr gute Ansätze erkennen. Bei den Solisten hatte man allerdings
zu oft den Eindruck, die Sänger wären sich selbst überlassen worden.
Für
die Bühne entwickelte Michael GODEN einen überdimensionierten Vogelkäfig
auf der Drehbühne; notwendiges Interieur und Pavillon inklusive. Den Bühnenhintergrund
schmückten viele, wirklich viele Wolken (Es bleibt zu hoffen, daß für
die „Zar und Zimmermann“- Produktion noch eine ausreichende Menge übrigbleibt...).
Die
musikalische Leitung des Abends durch Ludwig PFLANZ gehört diesmal an
die erste Stelle. Entkitschter Operettenklang fernab von 50er-Jahre-Seeligkeit
ist in Lübeck nichts Neues. Trotzdem überraschte es, daß es dem Dirigenten
gemeinsam mit dem PHILHARMONISCHEN ORCHESTER gelang selbst Zellers mit
Verlaub zuckersüßer Musik akzentuierten Rhythmus und musikalische Pointen
zu entlocken.
Titelheld
Adam wurde von Patrick BUSERT erfrischend weit entfernt vom üblichen Naturburschen
mit unverständlichem Akzent dargestellt. Diesem Tiroler gehen sämtliche
Mädchen der Pfalz ins Netz, ohne daß er sich dafür großartig anstrengen
müßte. Leicht und unbeschwert klang dann auch die musikalische Interpretation.
Ohne Berührungsängste und ohne jeden Kitsch sang der Tenor die beiden
Gassenhauer dieser Operette in opernhafter Meisterschaft.
Meisterlich
zeigte sich auch Stefanie KUNSCHKE als Christel. Sie ist ein Gewinn für
Lübeck, denn es gelingt ihr leicht, selbst das müdeste Publikum mitzureißen.
Temperamentvoll wirbelte sie über die Bühne und sang dabei so munter,
als gäbe es nichts einfacheres. Mardi BYERS lag die Partie der Kurfürstin
mehr als anderes (Gebt ihr Gilbert und Sullivan!). An diesem Abend zeigte
sie, wie gut sie in der Lage ist, ihre Stimme sicher und sauber zu führen,
ohne daß ihr Spiel unter permanenter Anspannung leidet. Zudem verfügt
sie über eine gehörige Portion Humor und Selbstironie. Eine elegante Figur
machte Steffen KUBACH als Baron Weps. Sein (verhinderter) Strippenzieher
in kurfürstlichen Diensten war eine herrliche Studie männlicher Eitelkeit.
Immer
wieder gern gesehen und gehört ist Veronika WALDNER. Diesmal in der Minirolle
der Baronin Adelaide - begleitet von Bijou, einer Art Fluffy in Plüsch
(Merchandising???) - gab sie der ewig nörgelnden Begleiterin der Kurfürstin
eine famose Erscheinung. Kein Wiedersehen wünscht man sich dagegen mit
Kenneth ROBERSON, dessen Stanislaus eine bonbonsüße, permanent mit den
Armen rudernde, text- wie gesangsunsichere Scheußlichkeit war. Merke,
Operette muß nicht permanenter Ulk sein, um komisch zu wirken.
Leider
wird das Auftreten von Ben HECKER nicht komischer, wenn man ihn in mehr
als einer Rolle besetzt. Seine Überpräsenz als Wirt, dessen Frau, Kammerdiener,
Bote, Maître de plaisir, Kurfürst und schlußendlich noch als Würmchen,
letzteres mit Verlaub auch für einen Schauspieler sehr schlecht gesungen,
ging einem letztendlich nur noch auf die Nerven. Wesentlich erfreulicher
zeigte sich da Dimitri GOLOVIN als Dorfschulze, der zwar hörbar mit dem
verdrehten Text seiner Figur kämpfte, auf der anderen Seite mit einem
für diese Rolle ungewöhnlich präsenten und durchdachten Spiel begeisterte.
Eine
positive Überraschung war Frieder STRICKER als Süffle. Extrovertierter
als man ihn in Hamburg sehen und hören konnte, erspielte er sich die Sympathien
des gesamten Publikums und machte auch auf dem roten Hüpfball eine ausgezeichnete
Figur.
CHOR
und EXTRA-CHOR machten ihre Sache gut, wobei die eine oder andere kleine
Verwirrung nicht ausblieb. AHS
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