Ich
mag dieses Stück nicht sonderlich. In meiner Teenagerzeit hätte mir beinahe
eine unerträglich trutschige Vorstellung dieser deutschen Spieloper den
Spaß an Oper vollkommen genommen. In Lübeck ist es gelungen, einen ersten
Schritt in Richtung Heilung dieses Traumas zu unternehmen.
Die
Inszenierung von Wolf WIDDER ist ansehnlich mit einigen hübschen Ideen
im ersten und dritten Akt, der zweite hängt zeitweilig allerdings ein
wenig durch. Die Personenführung war passend, manchmal sogar clever und
bot so manche Überraschung (sehr amüsant die Tanznummer der russischen
drei Herren bei Maries Brautlied). Widder entgeht dem Problem, was die
deutsche Spieloper häufig hat, nämlich das natürliche Sprechen Dialoge
dadurch, daß er einen Fremdenführer im heutigen Zaandam (von Rainer LUXEM
mit holländischem Akzent und viel Präsenz gespielt) den Fortgang der Handlung
referieren läßt. Trotz des Eingriffs, den dies in die Struktur des Stückes
darstellt, gewinnt die Oper dadurch deutlich an Tempo.
Ausstatter
Michael GODEN kommt ausnahmsweise ohne eine einzige Wolke aus, hat aber
ein sehr hübsches Hafenbühnenbild geschaffen. Die Kostüme sind kleidsam
und würden auch eigentlich niemanden bloßstellen. Der Ausstatter kann
schließlich nichts dafür, wenn sich einer der Sänger nicht darin bewegen
kann.
Hierbei
handelt es sich um den Chateauneuf von Kenneth ROBERSON. Der Mann war
schon im „Vogelhändler“ durch sein permanentes selbstgefälliges Herumgetänzel
schwer erträglich. Wäre es jedoch nur das gewesen, dann hätte man einfach
die Augen schließen können, doch der dünnen, höhenschwachen Stimme, die
geradezu das „flandrische Mädchen“ hinrichtete, konnte man so nicht entkommen.
Warum
Iwanow hier Grund zur Eifersucht haben sollte, ist nicht nachzuvollziehen.
Patrick BUSERT stattete die Figur mit viel Charme und spürbare Spielfreude
aus, lieferte mit Abstand die beste Tanzdarbietung des Abends ab (und
das schließt die extra engagierten Tänzer mit ein) und war einfach in
jeder Sekunde „da“. Gesanglich war der Auftritt ebenso erfreulich mit
schönen lyrischen Passagen und durchdachten Phrasierungen der schön timbrierten
Stimme.
Ebenfalls
auf der Habenseite des Abends ist Hartmut BAUERs van Bett zu verbuchen.
Er war ein wunderbar aufgeblasener Bürgermeister, ohne dabei jemals aufgesetzt
lustig zu wirken; die Komik schien aus einem natürlichen Sinn für Timing
zu entstehen. Einer der ganz tiefen Töne wurde aus dem Orchestergraben
per Instrument gedoubelt, wofür der Sänger sich artig bedankte. Eigentlich
war diese Hilfe jedoch nicht wirklich nötig, die stimmliche Leistung war
insbesondere in den schnellen Passagen ohne Fehl und Tadel.
Dieses
Niveau hielt Stefanie KUNSCHKE als Marie. Die Sängerin hat die faszinierende
Gabe, auch in den höheren Regionen ihrer Stimme noch wortdeutlich zu sein,
wobei die Stimme immer rund und frei von Schärfen bleibt. Auch spielt
sie äußerst charmant ein Mädchen, das ganz genau weiß, was sie will.
Weniger
Gutes kann man über Stefan HEIDEMANN als Zar Peter feststellen. An den
dramatischeren Stellen begann er zu brüllen, als wollte er ein wagnerianisches
Orchester übertönen, in den lyrischen Momenten kämpfte er mit der Intonation
und während seiner Arie im dritten Akt kam es zu etlichen rhythmischen
Unsicherheiten.
Greg
RYERSON fiel als Lord Syndham allenfalls dadurch auf, daß sein Akzent
im Englischen nicht sehr britisch wirkte, während Marco STELLA die Rolle
des Lefort nutzte, um sich erneut durch Szenendiebstahl im besonders schweren
Fall zu profilieren. Anneliese WELGE klingt auch als Witwe Browe nicht
schön.
Frank
Maximilian HUBE hat es geradezu meisterhaft verstanden, dem Stück musikalisch
jede Form von Betulichkeit und biedermeierlicher Harmlosigkeit auszutreiben.
Bei ihm hört man, daß Lortzing komponierte, während in Italien ein Donizetti
im gleichen Jahr seine „Lucia“ schrieb, ja, man glaubt auf einmal Anklänge
von „L’elisir d’amore“ oder „Don Pasquale“ zu hören. Das PHILHARMONISCHE
ORCHESTER macht dies mit, was dem Stück eine nie gekannte Leichtigkeit
verlieh.
Der
CHOR und EXTRA-CHOR haben schon lange nicht mehr so homogen geklungen
(Joseph FEIGL/Ludwig PFLANZ). Besonders positiv ist die „Jam-Session“
des Herrenchors im dritten Akt anzumerken (mehr wird nicht verraten, selber
gucken gehen). Nur
auf die sechs Tänzer hätte man getrost verzichten können. Der Holzschuhtanz
wird auch nicht besser, wenn man ihn uninspiriert tanzt (Choreographie:
Pascale CHEVROTON). MK
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