Puccinis
Oper spielt in der neuen Lübecker Inszenierung augenscheinlich während
einer nicht näher definierten faschistischen Diktatur. Man gibt zudem
das Stück als Theater auf dem Theater.
“Wie
gut! Wie klug!”? Nein, eigentlich nicht, denn man wurde den Eindruck nicht
los, daß Jakob PETERS-MESSER dies nur macht, weil man es eben so tut heutzutage.
Zu seiner Regiearbeit hat die zeitliche Einordnung nämlich gar keinen
Bezug. Andererseits machte dieses Fehlen jeglichen Bezugs gar nichts,
denn in der gesamten inszenatorischen Arbeit vermißte man ein Konzept.
Zumindest konnten wir keines entdecken. Hinzu kommen handwerkliche Fehler.
Wieviele
Ein- und Ausgänge hat die capella d' Attavanti eigentlich? Und weshalb
bietet Scarpia den “vin di Spagna” aus einer Cava-Flasche an?
Insbesondere
fehlt es auch an einer ausgefeilten Personenregie. Ständig Personen als
Gekreuzigte darzustellen (unter anderem Scarpia!) ist weder neu, noch
gut. Und was ißt Scarpia im zweiten Akt? Fisch aus der Dose? Oder doch
Austern?
Daß
Tosca am Ende dann nicht von der Engelsburg sprang, überraschte danach
wenig.
Weshalb
das Bühnenbild (Markus MEYER) im zweiten Akt zahllose Stühle aufwies,
was allenfalls an die “Reise nach Jerusalem” erinnern wollte, die von
den Personen wahlweise umgeworfen, herumgetragen oder sonstwie bewegt
wurden, erschloß sich auch nicht.
Die
Kostüme von Sven BINDSEIL waren, sieht man mal von den an diverse faschistische
Regime angelehnten Kleidungsstücken ab, ordentlich. Ein Genußmensch wie
Scarpia sollte allerdings in der Lage sein zu wissen, daß zu einem braunen
Anzug unmöglich eine blaue Krawatte geht – und das Einstecktuch sollte
wenigstens zu letzterer passen.
Mario
DIAZ konnte auch als Cavaradossi nicht punkten. Er sang zu laut, forcierte
permanent und gewann auch ansonsten keine Sympathiepunkte. So gab es nach
einer uninspirierten “Recondita armonia” bereits bei “la vita mi costasse”
nur mehr heiße Luft. Dem Tenor fehlte es schlicht an Durchschlagskraft,
was er grundsätzlich mit Lautstärke zu korrigieren glaubte, und man vermißte
weiterhin Gesangskultur wie -technik.
Schade
war es an diesem Abend um Mardi BYERS' Tosca. Allzu zaghaft ging sie die
Partie an, die vielleicht ein wenig zu früh kommt. Und aufgrund ihrer
Konzentration auf die gesangstechnischen Gegebenheiten litt ihr Spiel
zwangsläufig an Temperament (fehlende Unterstützung aus dem Graben tat
ein übriges...). Dies ist um so bedauerlicher, da an einigen Stellen eben
jenes Temperament gemeinsam mit einer vielversprechenden großen Stimme
aufblitzte.
Der
Abend geriet zum Erfolg für Scarpia. Diese Rolle scheint für Gerard QUINN
gemacht. Alles paßte, und trotzdem gab es neue Aspekte in der Interpretation
zu entdecken. So hatte sein Baron einen wesentlich intellektuelleren Anstrich
als sonst üblich. Er quält nicht nur aus reinem Genuß, sondern auch weil
es ihm nützt. Gesanglich blieben keine Wünsche offen.
Benno
SCHÖNING hatte als Mesner gute Momente, litt aber besonders unter dem
Dirigat. Dem Angelotti von Marco STELLA machte dies weniger. Er sang souverän
seine Partie und spielte auch die Szenen, die Angelotti sonst nicht auf
der Bühne ist, mit viel Präsenz.
Enrico-Adrian
RADU (Spoletta) und André MALIOUK (Sciarrone) ergänzten zuverlässig, wobei
ersterer ruhig ein wenig küchenschabiger hätte sein können.
Den
kurzen Auftritt des Hirten machte Annette PFEIFER zu einem Höhepunkt des
Abends, und Andreas BAUMEISTER besaß als Schließer neben einer sehr interessanten
Stimme große darstellerische Fähigkeiten.
Der
größte Alptraum dieses Premierenabends war das Dirigat von Roman BROGLI-SACHER.
Selten haben wir eine derart langsame “Tosca” hören dürfen. Dynamik ist
anscheinend ein zu kompliziertes Fremdwort für den Lübecker GMD. Prägnante
Stücke wie eben z.B. “Recondita armonia” oder das TeDeum gerieten allzu
tragend, und es blieb dem jeweiligen Sänger überlassen, genug Atem zu
haben – oder eben nicht.
Und
vor allem in der Sängerbehandlung, im Fehlen jeglichen Eingehens auf die
Künstler liegt das besondere Manko Herrn Brogli-Sachers.
Glücklicherweise
war das PHILHARMONISCHE ORCHESTER insgesamt besser einstudiert als noch
bei der “Carmen”-Premiere. Musikalische Unfälle hielten sich im Rahmen,
blieben aber nicht aus.
Weshalb
schwankt ein Chor während des TeDeums? Nun, auch diese Frage blieb unbeantwortet.
Dem CHOR und EXTRA-CHOR schadete diese Absurdität allerdings wenig. Sie
schlugen sich am Ende des ersten Aktes sehr wacker.
Fazit
ist, daß man nach Ausblenden aller Mankos trotzdem einen schönen Opernabend
haben kann. MK & AHS
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