Das
Theaterfest stand unter dem Motto „Evviva Espana“. Warum, ist mir allerdings
ein wenig verborgen geblieben. Es wurden zwar Ausschnitte aus „Carmen“
gegeben, und auch der „Barbiere“ spielt in Sevilla, aber der Rest des
Programmes hatte wenig Spanienbezug („Tosca“, „Zar und Zimmermann“, „My
fair Lady“ und „Der Vogelhändler“).
Für
die Ausschnitte aus „Carmen“ kann nur das wiederholt werden, was die Premierenkritik
beschreibt. Patricia FERNANDEZ zeigte eine wenig spannende „Habernera“;
sich lasziv gegen die verfügbaren männlichen Wesen lehnen, macht noch
keine Carmen aus. Gerard QUINN konnte mit Escamillos Couplet noch einmal
zeigen, wie sich ein intelligenter Sänger eine Partie erarbeitet, die
ihm eigentlich zu tief liegen dürfte. Mario DIAZ Stimme wurde im Duett
mit Micaela nicht nur in der Höhe eng. Die Verengung zieht sich mittlerweile
bis in die Mittellage herunter. Chantal MATHIAS wiederholte ihre wirklich
hochklassige Micaela, wortdeutlich, mit runder, aufblühender Stimme. Es
wäre schön, wenn die Sängerin diesen Weg weiterbeschreiten könnte.
Danach
sang das neue Ensemblemitglied Mardi BYERS „Vissi d’arte“, wobei sie intensives
Spiel mit einem apart timbrierten lyrischen Sopran verbinden konnte. Hoffentlich
kommt die gesamte Rolle nicht zu früh, denn es wäre schade um diese interessante
Stimme. Im Anschluß quälte Greg RYERSON sich und das Publikum durch das
„TeDeum“. Sein Scarpia ruderte mit den Armen, zeigte interessante Ausfallschritte
und fiel zu guter Letzt auch noch auf die Knie. Das ganze wurde mit Brunnenvergiftermimik
gepaart. Gesanglich gar er seinem Hang zum Schleppen wieder nach und brüllte
sich wenig differenziert durch die Noten. Der Spoletta von Enrico Adrian
RADU war da auf jeden Fall präsenter.
Marco
STELLA hat ja bereits in der letzten Saison bewiesen, in welchem atemberaubendem
Tempo man die Bartolo-Arie singen kann. Diesmal hatte er zusätzlich noch
ein paar hübsche weitere darstellerische und stimmliche Nuancen eingebaut.
Ein absoluter Vollblutkomödiant, der weiß, wie man das Publikum packen
kann.
Besser
als bei der letzten Begegnung in „Zemire et Azor“ vergangene Saison zeigte
sich Steffen KUBACH mit dem Zarenlied. Er sang es sehr lyrisch, es fehlte
allerdings an dem Temperament, über welches der Sänger verfügt, und was
sich dann im von ihm und dem Schauspieler Andreas HUTZEL moderierten Quiz
zeigte. Die beiden wären ein Gewinn für jede Kleinkunstbühne.
Annette
PFEIFER schaffte es mit „Ich hätt’ getanzt heut’ nacht“, richtig Lust
auf ihre Eliza zu machen, ausnehmend gut gesungen, mit viel Schmiß, schrie
es geradezu danach, die ganze Rolle von ihr zu hören (was man übrigens
ab 19. September kann).
Das
ebenfalls neue Ensemblemitglied Stefanie KUNSCHKE ließ als Brief-Christel
eine agile Stimme mit überraschender Wortdeutlichkeit hören. Sie scheint
ein ausgesprochenes Bühnentalent zu sein, denn sie tobte mit sichtlicher
Freude, die sich auf die Zuschauer übertrug, durch die aus der „Carmen“
stehengelassene Kulisse.
Zum
Schluß sang Mardi Byers zusammen mit Patrick BUSERT das Duett der Kurfürstin
und Adam, wobei der Tenor mit seiner biegsamen, höhensicheren Stimme seine
Eignung neuerlich für die Operette unter Beweis stellte.
Man
konnte an diesem Abend einmal mehr lernen, wie wichtig ein Dirigent für
die Interpretation eines Werkes ist. Dirigierte Roman BROGLI-SACHER „Carmen“
und „Tosca“ wie Militärmusik, wobei das PHILHARMONISCHE ORCHESTER diverse
Verspieler hören ließ, hatte man bei dem Wechsel zu den beiden anderen
Dirigenten das Gefühl einen anderen Klangkörper vor sich zu haben. Frank
Maximillian HUBE zauberte für den „Barbiere“ einen italienischen Klang
voller Brio, und Lortzing wurde jede Betulichkeit ausgetrieben. Schade,
daß die Dalila-Arie kommentarlos entfiel, die er ebenfalls hätte dirigieren
sollte. Ludwig PFLANZ ist am Lübecker Theater der Mann für die leichte
Muse, bei der er mit Schwung, Witz und Tempo plötzlich tausendmal gehörte
Stücke neu erscheinen läßt.
Der
CHOR DES THEATER LÜBECKs (Leitung: Joseph FEIGL) zeigte eine gute Leistung
bei der „Ascot-Gavotte“, während in „Carmen“ und „Tosca“ es Momente gab,
die dicht am Totalausstieg waren und immer wieder einzelne Stimmen herausfielen.
Auch hier mag es jeweils am Dirigat gelegen haben.
Unverständlich
wird mir immer bleiben, warum Intendant Marc ADAM derartige Konzerte unbedingt
selbst moderieren muß. Freies Sprechen ist seine Sache nicht, und wenn
er beim Ablesen seiner Karteikarten sich sogar bei den Namen von Sängern
oder dem Erzählen altbekannter Anekdoten verhaspelt, trägt es nicht zum
Gelingen des Abends bei. MK
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