Gounods
Oper ist auch eine Geschichte vom Abschied. Das Protagonistenpaar verabschiedet
sich vom lange gewachsenen Haß zwischen den Montagues und den Capulets,
von der mörderischen Tradition, von der Rache und schlußendlich vom Leben,
der Zukunft ihrer Liebe...
Für
mich war diese letzte Vorstellung der Produktion Hermann SCHNEIDERs auch
der Abschied von Dietrich von Oertzens Intendanz. Außerdem verlassen drei
der mitwirkenden Sänger ebenfalls das Lübecker Theater, um zukünftig ihre
Kunst anderswo zu profilieren.
Erich
WÄCHTER, der Lübecker GMD, bleibt - vorerst. Er fand an diesem Abend mit
dem PHILHARMONISCHEN ORCHESTER die Klangschönheit und Tiefe, die Gounod
in seine Version des Dramas um Liebe und Tod hineingelegt hat. Anfangs
glaubte man, das Schiff des Fliegenden Holländers aus dem Orchestergraben
emporschweben zu hören, so intensiv ist die Dichte der Musik. Wahrhaft
wagnerianisch und doch französische Oper!
Lisa
GRIFFITH versuchte sich an der Juliette. Leider ist die Koloraturfähigkeit
ihrer Stimme beschränkt. Auch die Höhe klang generell gefährdet. Positiv
ist zu vermerken, daß ihr diesmal gelang, Juliette als Person zu charakterisieren.
Roméo
vollbrachte dies bereits in der Premiere. Dafür hatte Anton KUHN nun einmal
die Gelegenheit, neben der ohnehin guten Abendleistung auch seine schöne
mezza voce-Version des Finales 3. Akt stringent und vom Graben ungehindert
dem Publikum darzubringen. "Zum Sterben schön" war auch das letzte Bild
von ihm gesungen; mit viel Gefühl in den Zeilen "ah, ma femme, mon bien
amiée..." und einem Bühnentod in bester Tenortradition. Glückliches Hildesheim.
Auch
Dorin MARA verläßt Lübeck. Einen so vielseitigen, jungen Bariton wird
man dort wohl vorläufig nicht mehr hören. Seine Erzählung von "La Reine
Mab" wie auch die abendliche Gesamtleistung bewiesen erneut seine Qualifikation
für größeres.
Klaus
ESCH gab dem großen Manipulator der Geschichte, Frere Laurent, sowohl
menschliche Wärme als auch die für einen Mann der Kirche notwendige Distanz.
Er bewies, daß eine schöne Stimme nicht bloß Makulatur sein muß. Victor
JAKOVENKO (Duc) hätte ebenso Gründe genug, mit seinem satten, dunklen
Baß nur zu protzen, doch auch er ist ein Künstler, der selbst die kleinste
Rolle minutiös gestaltet.
Angela
NICK brachte den Zwiespalt ihrer Figur beeindruckend klar auf die Bühne.
Einerseits gilt Gertrudes Loyalität ihrem Dienstherrn. Auf der anderen
Seite liebt sie Juliette wie ein eigenes Kind. Die Liebe, die das Lübecker
Publikum dieser großartigen Sängerin entgegenbringt, deren dunkelgetönter
Mezzo und stimmliche Aussagekraft die Rolle eine wichtige Aufwertung erfahren
läßt, sollte Mut für ein größeres Haus machen.
Tybalt
ist in dieser Inszenierung als eine Art Kindermädchen für Paris abgestellt.
Trotzdem findet Patrick BUSERT genug Raum für eine feine Charakterstudie
und eine stimmliche Glanzleistung. Elisabeth KRAUS (Stephano) stellte
alle männlichen Kollegen in den Schatten: Sie kann nämlich fechten!!!
Ihre - sonst sehr kräftige - Stimme eignet sich auch gut für die feinen
Töne. Die Koloraturen stellen kein Problem dar. Springlebendig war der
Benvoglio von Roberto GIONFRIDDO, der lebende Beweis, daß es keine kleine
Rollen gibt, sondern nur "kleine" Sänger.
Es
war ein wirklich schöner Abend, auch wenn für mich ein bißchen Wehmut
mitschwang, Dank an alle, die gehen ebenso wie an alle, die dem Lübecker
Theater erhalten bleiben, für wundervolle Jahre, in denen ich mich in
Lübeck zuhause fühlte. AHSrii9ewogkkfk,dv,vx,v,xv
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