Es
gehört schon Mut dazu, sich einen der komplexesten Stoffe der Romanliteratur
als Vorlage zu einer Oper zu nehmen. Alexander Smelkow (Jahrgang 1950)
hat sich dennoch gerade für Dostojewskis Brüder Karamasow entschieden,
ein Werk, das ganze Bibliotheken an Sekundärliteratur hervor gebracht
hat.
Smelkow
und seinen Librettisten Yuri Dimitrin reizte besonders das immerwährend
Russische an dem Stoff, und sie schufen eine textreiche Fassung mit knapp
drei Stunden reiner Spieldauer, die das Mariinsky Theater hier in konzertanter
Form vorstellte.
Die
Oper wurde 2008 in Petersburg szenisch uraufgeführt, die Musik Smelkows
aber ist der Zeit Dostojewskis deutlich näher. Konventionell ist das Wort,
das einem sofort in den Sinn kommt. Kein doppelter Boden, keine Zwischentöne,
keine Abgründe, sondern solide bis biedere Spieloper. Erst im zweiten
Akt nach der Pause wird es musikalisch feiner, raffinierter mit schrägen
Mandolinenklängen und einer wunderbaren Fuge ("Wo bist Du, Aljoscha?").
Retten tut das den Abend allerdings nicht. Vielleicht ist es nicht ganz
fair, eine unbekannte Oper nur nach einer konzertanten Aufführung zu beurteilen,
aber die Bilder der Petersburger Inszenierung scheinen den Eindruck zu
bestätigen.
An
der sängerischen und musikalischen Umsetzung kann die Blutarmut des Werkes
jedenfalls nicht gelegen haben. Die Solisten des Mariinsky, darunter Vassily
GORSHKOV als Vater Karamasow, Avgust AMONOV, Alexey MARKOV und Vladislav
SULIMSKY als die Brüder oder Kristina KAPUSTINSKAYA als die begehrte Grushenka,
sowie des weiteren Alexander TIMCHENKO, Andrey POPOV, Gennady BEZZUBENKOV,
Elena NEBERA oder Olga TRIFONOVA geben vollen Einsatz, um dem Werk Leben
einzuhauchen. Nicht minder engagiert zeigt sich das ORCHESTER DES MARIINSKY
THEATERS unter ihrem Chef Valery GERGIEV, aber selbst er kann einen Erfolg
nicht erzwingen.
Und
so muß man kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass das Werk es sehr
schwer haben wird, gerade auf westlichen Bühnen, deren Musikästhetik eine
ganz andere ist. Löblich aber allemal, daß die Petersburger das Stück
auf dem Wege der konzertanten Gastspiele immerhin vorstellen. KS
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