Opernfans
werden von ihrer Umgebung allgemein hin doch für ein wenig verrückt gehalten.
Stimmt ja meist auch. Allerdings sieht - und vor allem hört - man auch
was von der Welt. In Köln sind wir schon häufiger gewesen, konnten uns
zwar meist musikalisch, aber weniger touristisch für diese Stadt begeistern
(Das tolle italienische Restaurant - sieh auch hier - im Kattenbug gibt
es übrigens immer noch.).
Auch
diesmal führte uns die Musik hierher. Was uns erwartete, wußten wir allerdings
nicht so recht, denn über Alexander Dargomyschskis "Russalka" (Uraufführung:
1856) ließ sich im Vorfeld wenig herausfinden. So vertrauten wir auf Dirigenten
und Besetzung und machten uns auf dem Weg an den Rhein.
Um
es gleich vorweg zu nehmen, Michail JUROWSKI schenkte dem Publikum mit
dieser Aufführung einen erlebnisreichen konzertanten Opernabend. Das Stück
nach einem unvollendeten Versepos Puschkins ist voll musikalischer Schönheit
und sinfonischer Qualität.
Die
Geschichte um Natascha, die sich aus enttäuschter Liebe in den Dnepr stürzt,
zur Nixe Russalka wird und sich am Ende bitter rächt, besitzt die ganze
Komplexität der romantischen Erzählungen des 19. Jahrhunderts, wirkt nie
platt und verdient es eigentlich zum Repertoire der doch so traditionsbewußten
Opernhäuser Europas zu gehören.
Musikalisch
bewegt sich der Komponist zwischen italienischem Belcanto und mozartesken
Anklängen, vernachlässigt aber nie die musikalische Tradition Rußlands
mit seinen Ursprüngen in dessen reicher Volksmusik. Dargomyschski entwickelt
hier bereits jenen Klang, der später so typisch für seinen berühmten Landsmann
Tschaikowski sein wird.
Wie
wir bereits in einer Berliner "Onegin"-Serie feststellen konnten, ist
Michail Jurowski der ideale Dirigent gerade auch für diesen Klangbereich.
Seine spürbare Liebe zur Musik und seine Begeisterung stecken rasch alle
Künstler auf der Bühne, aber eben auch das Publikum an. Die Begeisterung
der Zuhörer war schon noch der Ouvertüre groß, am Ende kaum zu bremsen.
Die
Oper beginnt mit dem Auftritt des Müllers, Nataschas Vater, der den Abend
über viel über das Leben im Allgemeinen und seine Tochter im Besonderen
philosophiert. Arutjun KOTCHINIAN behielt den gesamten Abend hindurch
eine große unterschwellige Würde, die trotz der Schlichtheit und des späteren
Wahnsinns der Figur selbiger eine menschlich-anrührende Seite verlieh.
Stimmlich bot dieser Baß wie stets eine rundum perfekte Leistung, so auch
diesmal. Seine Lebendigkeit in Mimik und Gestik überträgt sich 1:1 auf
die Stimme und macht den Gesang um so interessanter.
Die
anspruchsvolle Titelpartie wurde von Evelina DOBRACEVA glänzend bewältigt.
Ihr lagen die folkloristischen Elemente ebenso wie die theatralischen
Ausbrüche. Ihre Stimme besitzt eine große, beinahe gläserne Klarheit,
ohne je ins Schrille abzugleiten. Sie charakterisierte die Figur mit viel
Liebe fürs musikalische Detail.
Bei
Marina PRUDENSKAJA fragt man sich immer wieder, woher diese Frau die Kraft
für jene satt dunkle, beeindruckende Mezzosopranstimme nimmt. Da die Künstlerin
rank und schlank wie die sprichwörtliche Birke gewachsen ist, ist man
nach den ersten Tönen jedes Mal aufs Neue überrascht. Der Fürstin verschaffte
sie an diesem Abend mit dem notwendigen Nachdruck und Temperament Gehör.
Die
ohnehin beeindruckende Stimme von Vsevolod GRIVNOV hat seit der letzten
Begegnung eine interessante Entwicklung gemacht. Der Tenor kontrolliert
seine recht große, kraftvolle Stimme inzwischen noch besser. Er differenziert
und phrasiert sehr schön. Als Fürst besetzt bewältigte er sowohl die belkantesken
wie auch die dramatischen Momente der Partie mit Bravour. Schön wäre es
gewesen, wenn er etwas mehr Platz zum Ausleben seines Spieldrangs gehabt
hätte.
Ähnlich
dem Tenor des Abends konnte auch Andrey TELEGIN (Jäger, Brautwerber) seine
Vorbilder schwer leugnen. Doch augenscheinlich von den Besten lernend,
empfahl er sich in jedem Fall mit gut geführter Stimme und sattem Ton
dringend zum Wiederhören. Elena BRYLEVA ergänzte zuverlässig in der Rolle
der Olga.
Niedlich
in ihrer Ernsthaftigkeit, aber ausgesprochen professionell gab Martha
JUROWSKI die Sprechtexte von Russalkas Tochter Russalotschka wieder. Die
junge Dame besitzt bereits eine große Bühnenpräsenz und machte hier Peter
FRÖHLICH, der ergänzend Worte als Moderation sprach, durchaus ernstzunehmende
Konkurrenz.
Der
WDR RUNDFUNKCHOR KÖLN, einstudiert von Philipp AHMANN, begeisterte durch
die tadellose Diktion im Russischen und einen satten, stets einigen Klang.
Noch mehr zu begeistern konnte das WDR RUNDFUNKORCHESTER KÖLN, das in
allen Instrumentengruppen gleichermaßen exzellente Leistungen hören ließ
und einen sehr schönen, lebendigen Klang besitzt. Sowohl die düsteren,
als auch die heiteren Farben der Musik wurden exakt gespielt wiedergegeben.
Um
zum Anfang zurückzukommen, liebe Theater, sei nochmals die Frage danach
gestellt, weshalb eigentlich niemand dieses Stück aufführt. Es ist nicht
schwer zu besetzen, wenn man über ein solide ausgebildetes Ensemble verfügt
und dürfte sich ob der musikalischen Schönheit zum Publikumsmagneten entwickeln.
Die
Zuhörer in der Kölner Philharmonie waren jedenfalls restlos begeistert
und bedankten sich mit langem, heftigem Applaus. Für alle, die noch auf
den Live-Hörgenuß warten müssen, sei gesagt, daß WDR3 den Mitschnitt des
Konzerts am 18. Mai 2008 um 20:05 Uhr überträgt. Unser Tip: UNBEDINGT
REINHÖREN!!! AHS
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