Möglicherweise
hat der Regisseur Carlos WAGNER im Vorfeld seiner Kieler "Macbeth"-Produktion
eine Aufführung in Lübeck besucht. Das Konzept erinnerte nämlich verdächtig
an diese. Auch hier geht es um Kinder, allerdings eher aus der Sicht von
Macbeth und nicht aus der der Lady. Aber hier wie dort, wollte das Konzept
einfach nicht so recht aufgehen, bzw. es war in beiden Fällen mehr oder
weniger schlecht umgesetzt.
Macbeth
und die Lady haben keine Kinder. Deswegen denken sie nicht an die Zukunft,
sondern leben nur im Augenblick. So steht es jedenfalls im Programmheft.
Auf der Bühne kann man das nur erahnen, wenn die Hexen wie Schulkinder
gekleidet sind, und Macbeth sich mehr auf dem Boden rumwindet als sich
aufrecht zu bewegen. Aber weder verstand ich, warum er dieses tat, noch
das absurde Spiel, das die Hexen in der zweiten Hexen-Szene gespielt haben.
"Macbeth"
ist in meinen Augen ein Stück über Abhängigkeit. Die Lady braucht Macbeth,
um an die Macht zu gelangen, weil sie es als Frau in der Zeit ungleich
schwerer hat oder weil sie sich nicht die Hände schmutzig machen will.
Macbeth braucht seine Frau, um ihn anzuleiten, wie er sein Ziel erreicht.
Dieses darzustellen, gelingt Wagner überhaupt nicht. Diese Lady braucht
niemanden für irgendwas. Dieser Macbeth will nichts. Auch wenn die Lady
die klar dominante Person ist, halte ich es für falsch, daß sie ihn ständig
- auch auf dem Bankett vor allen Leuten - degradiert.
Zu
Gute halten muß man der Inszenierung jedoch, daß es ca. zehn Minuten gibt,
in denen sie mir richtig gefällt und zwar von dem Mord an Banco, bei dem
die Mörder suggerieren, daß sie Fleance erwischt haben bis zum Beginn
des Banketts, als die Lady ihrem Mann keinen Champagner einschenkt, weil
er sich in der vorigen Szene verweigert hat, die Krone aufzusetzen. Zudem
hat Wagner ein unglaubliches Gespür für eindrucksvolle Bilder (Bühne Rifail
AJDARPASIC). Leider klang die Maschine zum sehr häufigen Heben und Senken
der Bühne wie ein getunter Schiffsdiesel...
Weshalb
Macbeth ab dem Bankett wie ein Rock'n'Roller aus dem Rotlicht-Millieu
aussieht (den Schlangenlederanzug konnte ich von meinem Platz nicht erkennen,
sondern nur auf Bildern im Internet), erschließt sich mir nicht. Die restlichen
Kostüme von Christoph CREMER störten nicht weiter.
Musikalisch
gibt es zum Glück weit weniger zu bemängeln. Dario SOLARI machte als Macbeth
eigentlich nichts falsch, aber es fehlte mir einfach die rechte Identifikation
mit der Rolle und die Power eines Verdi-Baritons. Er war mir auch etwas
zu unterwürfig in den Duetten.
Anna
MARKAROVA (Lady) kostete ihre Rolle genußvoll aus. Sie machte in jedem
Moment klar, wer hier das Sagen hat. Da hat niemand zu widersprechen!
Anfängliche Unsicherheiten in der Höhe legten sich mit der Zeit. Zudem
ist sie eine ausgesprochen präsente Darstellerin.
Yoonki
BAEKs Macduff hätte weniger Larmoyanz gut getan. Sergey KOVNIR (Banco)
verfügt über einen sehr wohlklingenden Baß, hätte aber aus der Rolle insgesamt
mehr machen können. Michael MÜLLER war ein solider Malcolm.
Anna
PETROVA ließ als Kammerdame aufhorchen und Marek WOJCIEKOWSKI war erwartbar
reinster Luxus als Mörder und Arzt.
Georg
FRITZSCH holte aus seinen KIELER PHILHARMONIKERN einen fast schon veristischen
Sound heraus. Die mutigen Tempi wurden perfekt umgesetzt. Den gewaltigen
Akkord nach "l'enigma oscuro" in der zweiten Hexen-Szene habe ich bislang
noch nie so eindringlich gehört. Die Hexen hätte ich mir zwar eine Spur
mystischer gewünscht, aber ansonsten präsentierte sich der CHOR unter
Lam Tran DINH in sehr guter Verfassung. WFS
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