Da
geht man nun schon seit fast zehn Jahren in die Oper, hat mehr als 120
verschiedene Werke von der Renaissance bis zur Moderne live gesehen und
noch kein einziges Mal "Aida"... Diese Lücke schloß jedoch eine Aufführung
am Theater Kiel.
Für
die Inszenierung zeichnet Uwe SCHWARZ verantwortlich, dessen dortiger
"Tannhäuser" mir nachhaltig in äußerst positiver Erinnerung geblieben
ist. Einmal mehr präsentierte er sich als jemand mit außerordentlichem
Gespür für beeindruckende Bilder und eine stets passende Atmosphäre. Es
entstand eine Arbeit für Herz und Hirn. Schwarz verlegte das Ambiente
in die Gegenwart. Aus Ägypten wurde ein fiktives Königreich, das sehr
an die USA erinnert (der König trägt einen Texaner-Hut, Amonasro eine
orange Uniform). Ein zentrales Element in dieser Produktion ist der Krieg,
dessen "techno-phallischen" Errungenschaften die Gesellschaft während
des Triumphmarsches mit 3D-Brillen in schicker Abendrobe auf einer überdimensionalen
Gaze-Leinwand gen Publikum akklamierend bestaunt.
Nicht
zuletzt sind es die Massenszenen, die sehr zu beeindrucken vermögen. Doch
auch die Personenführung der einzelnen Charaktere gelingt sehr gut. Amneris
z. B. hat nicht den Mut, in der Gerichtsszene, die komplett im Off stattfindet,
Radames direkt vor dem Tribunal zu verteidigen.
Das
Bühnenbild entwarf Norbert ZIERMANN. Mit Hilfe der Hebebühnentechnik,
die hier sehr oft und effektvoll eingesetzt wurde, kreierte er eine Wasserillusion,
die ich so noch nie gesehen habe. Eigenartig ist jedoch, daß im 3. Akt
offenbar alle im Nil herumlaufen... Überdies gibt es wenige kleinere Fragezeichen,
die allerdings angesichts des Gesamtbildes nicht ins Gewicht fallen.
Dorit
LIEVENBRÜCKS entwarf die passenden Kostüme, von denen Amneris' Sportjacken-Abendkleid-Kombination
jedoch schon nicht mehr unter "Geschmackssache" einzuordnen ist...
Besonders
hervorzuheben, und so bislang noch nie erlebt, ist daß ein Regisseur es
schafft, das Publikum zu einer ca. halbminütigen Stille zu animieren,
die dem Finale unglaublich gut tut, und die man ohnehin viel zu selten
genießen darf. Ein Stück ist noch lange nicht zu Ende, wenn der letzte
Ton verklungen ist.
Marina
FIDELI (Amneris) gefiel mir besser als in vorigen Rollen. Im Duett mit
Aida fand sie doch den einen oder anderen fiesen Zwischenton, im Duett
mit Radames jedoch hätte ich mir mehr Emphase gewünscht.
Ihre
Rivalin Aida fand in Gweneth-Ann JEFFERS eine durchaus rollendeckende
Verkörperung, wenngleich mir das "Oh patria mia" am Anfang zu spöttisch
war. Nichts desto trotz ist sie eine tolle Darstellerin und vermag der
Rolle einen eigenen Stempel aufzudrücken. Highlight des Abends war ihr
Duett mit Anton KEREMIDTCHIEV, der sich seit seinem Lübecker Telramund
stimmlich enorm weiterentwickelt hat und einen differenziert unerbittlichen
Amonasro sang. Er fühlte sich sowohl in der Produktion wie in der Rolle
sichtlich wohl und lief zu schauspielerischen und vokalen Höchstleistungen
auf. Er konnte vergessen machen, daß er schon rein optisch wahrscheinlich
nicht der Vater seiner Tochter sein kann...
Mit
Sung Kyu PARK stand ein Radames zur Verfügung, der die Partie von einer
sehr lyrischen Seite anging. Er sang im "Celeste Aida" ein berückend schönes
piano auf dem B, welches er noch mit einem decrescendo krönte. Alles in
allem jedoch fehlte es seinem Vortrag und auch seinem Schauspiel etwas
an Biß. In lyrischeren Rollen wie Alfredo oder Rodolfo kann ich ihn mir
sehr gut vorstellen!
Kemal
YASAR sang einen im besten Sinne des Wortes grundsoliden und sicher ausbaufähigen
Ramfis. Etwas zu undifferenziert war mir Kevin THOMPSONs König. Aufhorchen
ließ Cornelia MÖHLER als Tempelsängerin, wohingegen Michael MÜLLER (Bote)
reichlich blaß blieb. Außerdem waren da noch die von Aida offenbar betreuten
drei Hunde, die von BUGS, PELLE und PAULE glänzend verkörpert wurden.
David
MAIWALDs Dirigat mangelte es erheblich an Spannung und Brio. Die Massenszenen
kamen teilweise fast belanglos herüber. Er hielt jedoch die sehr gut aufgelegten
KIELER PHILHARMONIKER stets zusammen. Eigentlich ist Maiwald ja Leiter
des KIELER CHORES, der hier zusammen mit dem EXTRA-CHOR erneut eine gute
Leistung bot. WFS
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