"Kämpfe
nicht mit Frau'n..." - dieses Lied zeigt die Quintessenz der neuen Hildesheimer
Musiktheater-Produktion. Es operettet wieder. Dieses Mal wurde Carl Zellers
"Der Vogelhändler" aus der musikalischen Mottenkiste gezogen und gründlich
entstaubt.
Felix
DIECKMANNs Regiearbeit schlängelte sich geschickt durch die Wirren des
arg kitschigen Librettos. Das schlichte, aus einzeln verschiebbaren Bannern
und wenigen Requisiten bestehende Bühnenbild (Rolf HÄUSNER) trug ebenso
zum frischen Wind im Stück bei wie die Kostüme von Kathrin HEGEBÜSCH.
Letztere waren zwar in ihrem modischen Durcheinander keiner zeitlichen
Periode wirklich zuzuordnen, gaben aber jedem Charakter seine optische
Entsprechung.
Die
Produktion hätte trotz der wesentlich flacheren Vorlage eine ähnliche
Qualität wie die zu Oscar Straus' "Der Schokoladesoldat" erreichen können,
scheiterte aber an einigen Punkten.
So
war die Begleitung aus dem Graben an einigen Stellen viel zu knallig.
Thomas DORSCH konnte nicht verhindern, daß das Orchester in ein klischeehaftes
Humtata abglitt. Streckenweise geriet die orchestrale Begleitung viel
zu laut, was den einen oder anderen Sänger zum Forcieren bzw. Stemmen
der töne verleitete. Außerdem war das Zusammenspiel des Ensembles auf
der Bühne weniger homogen als in der o.g. Produktion, was sich auf die
Qualität der Darstellung und den Fluß der Handlung merklich auswirkte.
Bei
Burkhard FRITZ (Adam) beschlich mich zeitweise der Eindruck, er würde
seine Rolle mit Wagners Siegfried verwechselt. (Wobei zu bemerken sein,
daß es einen Unterschied zwischen kraftintensiven und kraftvollem Gesang
gibt.) Besagter "Ring"-Held bewahrt sich auch über weite Strecken sein
kindliches Gemüt... Fritz gab dem Titelhelden als sympathischen, bauernschlauen
Bergbewohner, dessen hin und wieder aufgesetzt wirkende Fröhlichkeit anstrengend
werden konnte.
Viel
besser und sich wunderbar ergänzend gaben Piet BRUNINX (Schneck/Würmchen)
und Bernd VERFÜRTH (Baron Weps/Süffle) Lektionen in amüsanten Spiel ohne
Übertreibungen, aber mit großen Gesten. Musikalisch mit der zweiten Tenorrolle
etwas unterbeschäftigt, hatte Anton KUHN wohl beim Streichhölzerziehen
um die Kostüme verloren. Auf eine überspitzte Art paßten all die Rüschen
und rosa Accessoires natürlich zu Stanislaus, doch es war eben gewöhnungsbedürftig.
Aukse
Marija PETRONI war viel zu sehr das Abbild einer typischen Soubrette als
das man ihr für die Kurfürstin eine gute Leistung bescheinigen könnte.
Stimmlich war sie schlichtweg überfordert. Es quietschte und piepste gar
heftig. Von Anja BILDSTEIN dagegen wünschte man sich mehr als nur die
wenigen Zeilen der Baronin Adelaide. Trotz der Anlage als männermordener
Vamp war die sympathischere der beiden Damen vom Schloß.
Unbestrittene
Nummer eins auf der Bühne war an diesem Abend jedoch die Briefchristel.
Miriam MEYER besitzt eine hohe Musikalität und das richtige Gespür dafür,
welche Grenzen überschritten werden können und welche nicht. Schwungvoll,
mit viel Verve zeigte sie eine emanzipierte junge Frau, die weiß wo ihr
Leben langgehen soll und ihrem Tiroler wenig Platz zur Selbstverwirklichung
läßt. (Es sei denn, es geht in die Richtung, die ihr vorschwebt.)
Im
ganzen war es ein amüsanter Abend mit - natürlich - einem Happyend. Adam
bekommt seinen Posten und die Christel, die Baronin ihren Stanislaus.
Beide Herren werden vermutlich heftig unter dem Pantoffel gehalten werden,
doch das kennen sie, und außerdem: siehe oben. AHS
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