Am
letzten Juni-Wochenende verschlug es uns nach Hildesheim, wo als letzte
Premiere der Spielzeit 1999/2000 "The Man of La Mancha" von Dale Wassermann
und Mitch Leigh zur Aufführung gelangte.
Wolfgang
LACHNITT (Regie & Choreographie) und Dieter BODE (Bühnenbild & Kostüme)
gaben Miquel Cervantes, der die Geschichte von Don Quixote erzählt und
spielt ein stählernes Korsett als Spielort. Das Gefängnis, der Raum, in
dem die Zweithandlung entwickelt wird, erinnert an die düsteren Versionen
einer Endzeit-Science Fiction. Es läßt sich trotzdem leicht mit wenigen
Requisiten die Illusion der Abenteuer des Ritters von der traurigen Gestalt
entwickeln. Die Kostüme dagegen gehören in die Zeit der Handlung, was
aber den erwähnten SF-Charakter noch unterstützt.
Man
singt und spricht deutsch, was den Dialogen gut tut. Die Songtexte hingegen
wurden manchmal ad absurdum geführt ("Mir's jeder recht." Z.B.) Doch es
lag in der Macht der Darsteller, dies vergessen zu machen. Gesungen wurde
zumeist mit elektronischer Verstärkung.
Maarten
GÜPPERTZ entsprach am Anfang als Quixote noch zu sehr dem Gehabe von Cervantes.
Doch, ob nun Premierennervosität oder gewollter Effekt, er steigerte sich
im Laufe des Abends und trennte beide Figuren deutlicher voneinander.
Eine ausgezeichnete Leistung, wie er die Tragik beider Männer über die
Rampe brachte. Die Dialoge waren akzentuiert. Die Songs wurden mit einer
angenehmen Stimme dargebracht.
Die
Aldonza von Susanne DENGLER ist keine schmutzige Heilige. Sie ist ein
Wesen aus der Gosse, schmutzig, laut und ordinär. Trotzdem wird irgendwo
tief unter der kratzbürstigen Oberfläche der Hure ein empfindsamer Teil
ihres Selbsts offenbart. Toll gespielt und gut gesungen!
Anton
KUHN, neu im Hildesheimer (Opern-)Ensemble, quirlt als Sancho springlebendig
mit manchmal waghalsigen Stunts über die Bühne. Als Cervantes Diener tritt
er eher in den Hintergrund, macht aber durch Improvisation die Bühnenträume
erst möglich. Sauber gesprochene Dialoge, die nichts von der sonstigen
Dialogarmut einer Opernbühne zeugten, gepaart mit dem klaren Tenor des
Sängers.
Dem
Wortführer der Gefangenen und dem schmierige Wirt, den Don Quixote für
einen Edelmann hält, wurden von Bernd VERFÜRTH Gestalt verliehen. Auch
er beherrscht die Kunst, die beiden völlig unterschiedlichen Rollen mit
Bravour auf die Bühne zu stellen. Gleiches gilt auch für Lars WESTRÖM
("Herzog"/Dr. Carrasco) und Klaus-Dieter JÜNGLING, wobei ersterer das
spannende Rollenbild eines Zynikers in beiden Ebenen mit darstellerischer
Eleganz zeichnete und letzterer der katholischen Kirche Spaniens des betreffenden
Jahrhunderts ganze neue Nuancen gab.
Auch
das restliche Ensemble brach in seiner Qualität eine Lanze für Hildesheim.
Zumeist gelang es den Künstlern, ihrer jeweiligen Rolle einen ganz eigenen
Charakter zu geben. Achim FALKENHAUSEN leitete das Orchester des Stadttheaters.
Es klangen zum großen Teil die richtigen Töne aus dem Graben, wobei aber
die Blechbläser für manche Ohrenpein sorgten. Gewollt schräg? Hoffentlich!
Resümee
des Abends ist, daß auch eine gute gemacht Musicalaufführung zwischen
tiefer Tragik und Spaß alle Gefühle menschlicher Wesen auf hohem Niveau
über die Rampe bringen kann. AHS
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