Ungefähr
12 ½ Jahre nach der letzten Aufführung kehrte Andrew Lloyd Webbers wohl
berühmtestes Musical auf die Bühne der Neuen Flora zurück. Gerüchten zufolge
soll es die Fortsetzung "Love never dies" einleiten. Wenn man sich die
Produktion jedoch anschaut, sollte es mal besser dort bleiben - nicht
zuletzt, weil letzteres in London ein ziemlicher Flop war.
Die
Regie von Harold PRINCE besticht durch eine tolle Atmosphäre, welche einen
in den Bann zieht. Die Variabilität der Bühnenbilder (Production Design:
Maria BJÖRNSoN) ist erstaunlich. Innerhalb kürzester Zeit gelingt es,
einen kompletten Szenenwechsel zu vollziehen. Am meisten beeindruckte
mich das Finale des ersten Aktes, wenn das Phantom plötzlich auf einer
Skulptur steht, die vom ganz oben herabgelassen wird.
Musikalisch
gibt es einige Abstriche zu machen, die aber nur bedingt den ausführenden
Künstlern anzulasten sind.
Mathias
EDENBORN (Phantom) begann quasi mit dem Messer zwischen den Zähnen, gerade
so als ob er gleich alle auf der Bühne abschlachten würde. Er fing sich
glücklicherweise schnell wieder, fiel jedoch im ersten Teil durch etwas
zu ausladende Bewegungen auf. Ihm gelangen zwar immer mal wieder sehr
schöne Momente, aber im Großen und Ganzen war er mir nicht mystisch genug
und konnte mir sein Leiden nicht wirklich greifbar machen. Eine solide
Leistung - mehr aber auch nicht.
Michelle
VAN DE VEN als Christine war schlicht zu viel Mädchen und zu wenig Frau.
Abgesehen von ein paar piepsigen Tönen in der Höhe sang sie in Ordnung,
blieb der Rolle aber Tiefgang schuldig. Den Zwiespalt der Etnscheidung
zwischen Raoul und dem Phantom habe ich ihr nicht abgekauft.
Nicky
WUCHINGER (Raoul) sang von den drei Protagonisten am Besten - über seine
tänzerischen Fähigkeiten schweige ich mal lieber. Jedoch habe ich nach
der Dachszene eher gedacht, daß er erstmal eine Runde Golf spielen geht
- nach dem Motto: "Die kriegt sich schon wieder ein." - und nicht kurz
darauf sein Leben riskiert.
Für
Spaß auf der Bühne sorgten fast ausnahmslos die Nebendarsteller. Debra
FERNANDES gab eine herrlich affektierte Carlotta und Antonio RIVERA stattete
den Piangi mit allen Klischees aus, die es so über Tenöre gibt und sang
dazu noch sehr ansprechend. Die großartige Michaela CHRISTL hatte als
Madame Giry genau die geheimnisvolle Ausstrahlung, die ich bei Edenborn
vermißt habe. Guido GOTTENBOS und Anton RATTINGER sorgten als André und
Firmin für mächtig Laune auf der Bühne. Einzig Hinako SAKURAOKA blieb
als Meg Giry in negativer Erinnerung.
John
KUETHER wirkte als Auktionator zu gewollt mysteriös, sang aber solide
als Don Attilio und Passarino. Norbert KOHLER (Reyer), Christian THEODORIDIS
(Buquet), Martin RÖNNEBECK (Lefèvre/Hauptmann) und Tanja PETRASEK (Ankleiderin/Confidante)
ergänzten solide.
Das
Dirigat von Klaus WILHELM war nicht pointiert genug. Er hielt das kleine
ORCHESTER zwar zusammen, aber konnte keine rechte Stimmung erzeugen. Erschwerend
hinzu kam, daß das Orchester elektronisch verstärkt wurde (Sound Design
Mick POTTER), was sich insbesondere sehr negativ auf die Streicher auswirkte,
bei denen mir persönlich die Höhen zu stark präsent waren. Es fehlte einfach
das Volumen, was auch negative Auswirkungen auf die allgemeine Atmosphäre
hatte, von der das Stück so sehr lebt.
Ich
komme zudem nicht umhin zu betonen, daß 18 Euro für ein Programmheft eine
Unverschämtheit sind. Trotz alledem ist es eine sehr empfehlenswerte Produktion,
die auch mal wieder zeigt, was Musical so alles kann. Und wenn man trotz
mittelprächtigen Phantoms und leidlich unspannendem Dirigat am Ende dennoch
eine Gänsehaut hat, ist das doch auch eine Menge wert... WFS
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