"Ariadne
auf Naxos" zählt offenbar zu den populärsten Stücken an der Hamburgischen
Staatsoper. Die Oper wurde seit der Hamburger Erstaufführung 1913 inklusive
dieser Aufführung 239 Mal in zehn Produktionen gespielt! Und das trotz
einer gut achtzehnjährigen Pause zwischen der letzten Aufführung der vorherigen
Inszenierung und der Premiere 2012.
Die
Regie von Christian STÜCKL kommt etwas ambivalent daher. Ist sie im Vorspiel
durchaus ansprechend (aber was kann man da schon falsch machen?), vermag
sie mich in der Oper nicht wirklich zu überzeugen. Es hat sich mir nicht
so recht erschlossen, ob es sich um ein Theater im Theater gehandelt hat,
oder ob das ganze Geschehen auf der Bühne für das normale Publikum die
Aufführung darstellen soll. Jedenfalls rennen teilweise die Personen des
Vorspiels noch auf der Bühne herum. Auf der Bühne befindet sich eine weitere
Tribüne, zudem Publikum, welches allerdings zum Großteil hinter der Bühne
sitzt. Die erste Reihe VOR selbiger ist u.a. für die Nymphen vorgesehen,
welche ziemlich nervige Zuschauer darstellen. Dieser Kniff gefiel mir
sehr gut. Die ständig nach Zerbinetta geifernden Zuschauer jedoch weniger...
Die
eigentliche Oper fand auf einer sehr kleinen Spielfläche statt, auf welcher
sich auch nur Ariadne, Doubles (?) von ihr und die Komödianten befanden.
Letztere waren wohl lustig gemeint, störten aber eher durch die zu aufdringliche
Art, sowie die quietschgelben Anzüge und "Jackson Five" (hier eher Four)-Gedächtnisperücken.
Ein Glück, daß immerhin zwei von ihnen für mächtig Spaß sorgten. Bacchus'
Regieanweisung lautete vermutlich: "Steh' auf dem großen Boot und sing'".
Ob es nun allerdings so clever war, ihn langsam während seiner Arie reinzuziehen,
so daß er die Hälfte der Zeit so ungünstig positioniert war, daß der Ton
nach oben verschwand, darf bezweifelt werden. Wann und ob die Zuschauer
in den Rängen ihn zu sehen bekamen, ist mir nicht bekannt. Für das Bühnenbild
und die Kostüme zeichnet Stefan HAGENEIER verantwortlich. Letztere konnten
eher bei den Damen punkten. Der Mantel von Bacchus stammte vermutlich
aus der Konkursmasse eines Zuhälters. Das Kostüm von Ariadne war im Vorspiel
wenig schmeichelhaft, dafür in der Oper umso mehr.
Daß
der Abend sich dennoch gelohnt hat, ist insbesondere den Sängerinnen zu
verdanken, die sich allesamt auf einem sehr hohen Niveau präsentierten.
Allen voran Katja PIEWECK, die nach Jahren mit kleinen Partien endlich
mal richtig große Rollen bekommt. Wie oft hat sie als Annina schon die
Violetta in Grund und Boden gesungen? Ihre Primadonna war eine wundervoll
blasierte Diva, die wohl einen Tobsuchtsanfall bekommt, wenn das Klopapier
sich farblich mit der Tapete im Foyer beißt. Als Ariadne bestach sie durch
eine herausragende, Gänsehaut bereitende Interpretation. Sie war eine
gebrochene Frau, die aber dennoch irgendwo Hoffnung hatte. Nicht mehr
lange, und sie wird sich als hochdramatischer Sopran etabliert haben.
Das
Highlight des Vorspiels war Maria MARKINAs Komponist, den sie mit der
richtigen Portion Verzweiflung äußerst glaubwürdig rüberbrachte. Allerdings
forcierte sie in der Vollhöhe manchmal zu stark, so daß der Ton mitunter
etwas hart wirkte. Dazu kommt das kleine Manko, daß sie ein sehr mädchenhaftes
Gesicht hat, wodurch man ihr optisch Hosenrollen nicht so ganz glaubt.
Aber dafür kann sie ja nichts, und sie kompensiert es durch ihren Gesang
sehr gut.
Olga
PERETYATKO, die nach ihrer Zeit im hiesigen Opernstudio eine durchaus
veritable Karriere vorzuweisen hat, gestaltete die Zerbinetta superb.
Die Verzierungen gerieten nie zum Selbstzweck, sondern ergaben bei ihr
Sinn.
Peter
SEIFFERT verfügt über ein gerade in dem Fach sehr schönes Timbre sowie
über die Kraft und Technik, die doch ziemlich schwere Partie des Tenor/Bacchus
ohne Probleme durchzustehen, blieb aber der Rolle so einiges schuldig.
Weshalb Ariadne sich nun ausgerechnet für den entscheidet, erschloß sich
mir nicht.
Levente
PÁLL (Haushofmeister) und Jürgen SACHER (Tanzmeister) werteten das Vorspiel
neben Markina auf, während Vincenzo NERI (Perückenmacher) nicht weiter
auffiel und Franz GRUNDHEBER als Musiklehrer mich nicht so sehr störte
wie in Opern, in denen er zu singen hat.
Sollte
es den Straftatbestand des Szenendiebstahls geben, würde Chris LYSACK
(Scaramuccio) sicherlich zur Höchststrafe verurteilt werden, welche hoffentlich
die Auflage beinhielte, größere Partien zu singen (Rossini,...). Das bißchen,
was er auf der Bühne zurück ließ, sammelte Christoph POHL (Harlekin) ein,
der für Moritz Gogg einsprang. Jun-Sang HAN ergänzte solide als Birghella,
während Alin ANCA (Truffaldin) total blaß blieb.
Die
Nymphen hingegen sangen auf konstant hohem Niveau, allen voran Katerina
TRETYAKOVA als Najade, die auf ihre Lucia richtig viel Lust machte. Die
anderen beiden wurden von Rebecca Jo LOEB (Dryade statt Ida Aldrian) und
Gabriele ROSSMANITH (Echo) gesungen.
Axel
KOBER leitete die glänzend disponierten HAMBURGER PHILHARMONIKER äußerst
präzise und schön schmalzlos. Allerdings wäre es ein bißchen weniger Lautstärke
angebracht gewesen, worunter gerade Markina etwas zu leiden hatte. WFS
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