Als
zweiten Teil der Hamburger Verdi-Trilogie hat man "I due Foscari" ausgewählt.
Unbestritten eine gute Wahl, allerdings hätte man das Programmheft unbedingt
mit einem Warnhinweis versehen müssen. Dieses frühe Werk Verdis kann den
Zuhörer nämlich emotional ausgesprochen mitnehmen.
Geschrieben
nach einer Tragödie von Byron steht hier ein Vater-Sohn-Konflikt im Vordergrund.
Francesco Foscari, der mehr seinem Amt als Doge von Venedig verhaftet
ist als seinem Dasein als Vater, verliert zuerst seinen Sohn Jacopo, der
den erneuten Weg in die Verbannung nicht verkraftet, dann sein Amt und
darüber schließlich sein eigenes Leben.
Der
zweite Abend der Serie wurde primär von den Protagonisten auf der Bühne
getragen, die jeder für sich, aber gerade auch in den gemeinsamen Szenen
die Vorstellung zu einem besonderen Operngenuß werden ließen. Hier stimmten
die gesangliche und darstellerische Komponente, das Timing. Man stand
gemeinsam im Dienst des Werks, ohne sich auf Kosten der Kollegen profilieren
zu wollen.
Auch
die musikalische Leitung klang diesmal mehr nach Verdi als noch im "Battaglia".
Simone YOUNG gab Orchester, Chor und Sängerensemble mehr Raum, mehr Zeit
für die typischen Bögen und Phrasen. Zudem hatte man den Eindruck, daß
sie sich erlaubte, einfach auch mal loszulassen, anstatt eine übermäßig
kontrollierte Interpretation zu zeigen. Die tadellos musizierenden PHILHARMONIKER
HAMBURG folgten ihr dabei und spielten hörbar befreiter und gelöster auf.
Die
Inszenierung von David ALDEN war unauffällig. Die fehlende Personenregie
fiel nicht ins Gewicht, da es hier ausreichend Sänger gab, die Kraft ihrer
Präsenz die Bühne zu füllen vermochten. Das Stück im faschistischen Italien
anzusiedeln, brachte weder besondere Einsichten, noch wurde es so aufdringlich
dargeboten, daß es großartig stören konnte.
Das
Bühnenbild von Charles EDWARDS war größtenteils trist und funktional mit
der schon aus der "Battaglia" bekannten Verbannung des Chors auf einen
Balkon, lediglich das Kerkerbild konnte Stimmung erzeugen mit der schmalen
Tür weit oben und der langen Treppe nach unten.
Die
Kostüme (Brigitte REIFFENSTUEL) reichten vom klassischen, üppigen Dogengewand
bis zum 40er Jahre-Schick für die Damen plus einer Evita-Frisur für Lucrezia.
Das Licht wurde von Adam SILVERMANN gestaltet und wechselte auch hier
nur zwischen einigermaßen hell und zu dunkel. Die Choreografie von Maxine
BRAHAM blieb auch hier wenig in Erinnerung.
Um
so erinnerungswürdiger die Leistungen der Sänger.
Andrzej
DOBBER hat mit Francesco Foscari wohl seine Rolle gefunden. Der streckenweise
recht eigene Charakter seiner Stimme gepaart mit dem sich über die Jahre
immer weiter entwickelten satten Klang in Mittellage und Tiefe passen
ausgesprochen gut zur Figur des Dogen. Hinzu kommt eine ausgefeilte Darstellung
der zerrissenen Figur, die an dem Konflikt zwischen Pflicht und Vatersein
allmählich zerbricht. Jede Geste, jede stimmliche Facette wirkte, obwohl
ganz sicher durchdacht, so natürlich als würde es in eben jenem Moment
geschehen.
Jacopo
Foscari wurde von Giuseppe FILIANOTI verkörpert. Der Tenor hat noch immer
ein außergewöhnlich schönes Timbre, was hier, wesentlich besser als in
den zuletzt gehörten französischen Partien, optimal zur Wirkung kam. Die
etwas angegriffen klingende Stelle im Passagio fiel nur zu Anfang auf,
danach floß die Stimme wunderbar dahin. Gerade auch in der Vision während
der Kerkerszene vermochte der Sänger zu packen.
Als
Jacopos Frau Lucrezia Contarini erbrachte Amarilli NIZZA eine grandiose
Leistung. Nach einer wenig aufregenden Lady Macbeth vor einigen Jahren
verströmte sie die Vehemenz dieser starken Frau geradezu im Überfluß.
Die Stimme hatte für jeden emotionalen Zustand Lucrezias von Trauer, Verzweiflung
und Liebe bis zu unbändiger Wut die richtige Farbe. Auch technisch gab
es nichts zu bemängeln. Der Auslöser der Tragödie Loredano dürfte bis
an sein Ende sich nie wieder sicher fühlen, nachdem diese Frau ihm Rache
geschworen hat.
Ziyan
ATFEH war ein stimmlich guter, hin und wieder sogar beeindruckender Jacopo
Loredano, blieb aber in den meisten Szenen in der Darstellung eher unauffällig.
Man vermißte den Gegenpart, die Bedrohung der Macht des Dogen. Sie waren
da diese Momente, aber hier wäre definitiv noch mehr möglich gewesen,
und so fragte man sich baßpatriotisch, weshalb es hier unbedingt ein Gast
hatte sein müssen.
Pisana,
die Freundin Lucrezias, war aufgewertet worden, einmal durch die stimmliche
Leistung von Maria MARKINA, zum anderen auch szenisch. Daß sie allerdings
von Loredanos Schergen entführt und dann von Lucrezia wenig nachvollziehbar
aus einem Schrank befreit werden mußte, wirkte eher, als sei dem Regisseur,
nachdem er einen brutalen Polizeistaat zeigen wollte, plötzlich eingefallen,
daß die Figur ja noch etwas zu singen habe.
Dovlet
NURGELDIYEV als Barbarigo profilierte sich wieder einmal auch in einer
kleineren Rolle, insbesondere als er in den letzten Szenen nach Jacopos
Tod in den Ensembles den Tenorpart übernehmen konnte und hier mit den
Hauptpartien spielend mithielt. Sergiu SAPLACAN konnte als sadistischer
Fante di Consiglio nicht nur darstellerisch überzeugen, sondern konnte
sich aus gesanglich hören lassen.
Der
CHOR DER HAMBURGISCHEN STAATSOPER unter Leitung von Eberhard FRIEDRICH
wiederholte seine glänzende Leistung aus dem "Battaglia di Legnano" und
trug seinen Teil zu der sich am Ende lautstark entfaltenden Begeisterung
bei.
Ja,
die nächsten Jahre steht kein Verdi-Jubiläum an. Aber die Hamburgische
Staatsoper hat seit langem nicht mehr so beim Beifall getobt, die Vorstellungen
sind ausverkauft. Sollte das nicht ein Argument sein, das Stück wieder
aufzunehmen? MK & AHS
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