Die
Hamburgische Staatsoper feiert Verdi zu Beginn dieser Spielzeit mit Neuproduktionen
drei seiner frühen Werke.
Das
mit einem solchen Vorhaben beinahe automatisch einhergehenden Schmähens
von Verdis angeblich dramatisch schwachbrüstigen Frühwerken durch das
Feuilleton ignoriert man am besten (Pathetisch? Ja, und? Warum nicht?).
Wer sich nicht mit dem Stück an sich und vor allem nicht mit der über
weite Strecken bereits sehr ausgefeilten musikalischen Umsetzung auseinandersetzen
mag, könnte das nächste Mal vielleicht einfach die Eintrittskarte jemanden
überlassen, den Werk und Musik interessieren. Die
Kartennachfrage war hoch genug, daß sich sicherlich ein dankbarer Abnehmer
gefunden hätte.
Wie
auch immer, begonnen wurden diese Verdi-Wochen mit "Il Battaglia Di Legnano".
Versehen
mit einer militärgeschichtlichen und patriotischen Rahmenhandlung erzählt
diese Oper eine klassische Dreiecksgeschichte. Auf dem Weg in die Schlacht
gegen Kaiser Friedrich Barbarossa zieht Arrigo, der angeblich in einem
vorgehenden Kampf getötet wurde, in Mailand ein. Hier findet er seine
große Liebe Lida als Ehefrau seines Freundes Rolando wieder. Letzterer
ahnt nicht, daß Lida und Arrigo sich einst die ewige Treue versprochen
hatten.
Während
sich die Offiziellen noch beraten, wer wen unterstützt (ob Como nun mit
der lombardischen Liga oder doch mit dem Kaiser agiert), entspinnt sich,
immer wieder auch von Marcovaldo, der als Gefangener in Rolandos Haus
lebt und sich die Tage mit Intrigen vertreibt, entfacht, besagte Dreieckgeschichte,
die darin gipfelt, daß Arrigio sich den "Todesrittern", einer Art Kamikazeeinheit,
anschließt, und Rolando ihn gemeinsam mit Lida in einem Turmzimmer einschließt,
damit der Freund dem Ruf zu den Waffen nicht folgen kann, womit dieser
als Feigling und Verräter gelten würde.
Arrigo
entkommt mittels waghalsigen Sprung vom Balkon, wird in der folgenden
Schlacht tödlich verwundet, wobei er vor seinem Tod Rolando noch von Lidas
Ehrenhaftigkeit überzeugt.
Gebettet
ist diese Geschichte in eine Musik, die neben ersten Anklängen späterer
Werke des Komponisten, an manchen aber doch eher nach Donizetti oder Bellini
klingt als nach Verdi. Es ist also ein Werk ganz aus der italienischen
Musikgeschichte heraus, das man eigentlich nicht verstecken muß.
Simone
YOUNG ließ an diesem Abend ein wenig ihr sonst untrügliches Gespür für
diese Art der Musik vermissen. Zu analytisch, zu mathematisch klang es
aus dem Graben. Eine echte Verdi-Atmosphäre mochte so nicht aufkommen,
obwohl die PHILHARMONIKER HAMBURG sich in ausgezeichneter Form befanden.
Auch
in besetzungstechnischer Hinsicht gab es wenig, was uns begeistern konnte.
Yonghoon LEE versuchte als Arrigo ohrenscheinlich, einen Lautstärkewettbewerb
zu gewinnen, und vergaß beim möglichst langen Aussingen der hohen Töne
leider alle weiteren stimmlichen Gestaltungsmöglichkeiten. Verdis Held
klang somit ausgesprochen eindimensional. Da sich der Tenor auch ansonsten
mit der Gestaltung der Figur schwertat, blieb es hier beim Rampestehen,
Händeringen und Umhergehen. Bejubelt wurde er am Ende trotzdem. Hauptsache
laut, eben.
Besser
war es hier um Giorgio CAODURO, den Rolando dieser Produktion, bestellt.
Die Partie kommt zwar gefühlt noch etwas zu früh für diesen Sänger, doch
er ist bereits auf dem besten Weg zu einem guten Verdi-Interpreten, wie
die Arie Rolandos und die dazugehörige Cabaletta bewiesen. Der Bariton
investierte viel in die Darstellung seiner Figur und deren Entwicklung,
blieb aber damit relativ allein, da von seinen Partnern kaum etwas zurückkam.
Hoffnungslos
überfordert war Alexia VOULGARIDOU mit der Partie der Lida. Ihre Stimme
kiekste an vielen Stellen und ließ zu oft die so wichtige Geläufigkeit
vermissen. Den Sopranpartien in Verdis frühen Opern kann mich sich entweder
mit technischer Brillanz oder Verve nähern, optimal wäre natürlich beides.
Frau Voulgaridou zeigte jedoch keine dieser beiden Möglichkeiten und war
so zwischen lautem Tenor und dem um Differenzierung bemühten Bariton verloren.
Tigran
MARTIROSSIAN war als Federico Barbarossa mit feuerrotem Haupthaar und
Bart, den bekannten Attributen jenes Kaisers, geschlagen, gab der eher
als Stichwortgeber fungierenden Figur aber einen ausgesprochen beeindruckenden
Auftritt, der durchaus noch hätte länger dauern dürfen.
Ebenfalls
zu beeindrucken wußte Viktor RUD - wenn auch nur im Spiel. Sein Marcovaldo
besaß eine von dem Sänger bisher selten gezeigte Präsenz (bis hin zum
Szenendiebstahl). Wenn hier noch mehr an der Durchschlagskraft der Stimme
gearbeitet werden würde, wäre hier der Weg zu einem guten Sänger geebnet.
Von
den kleineren Rollen holte Rebecca Jo LOEB alles aus der Imelda heraus,
während Manuel GÜNTHER als Knappe Arrigos erneut positiv auffiel. Sergiu
SAPLACAN (Herold) sowie Vincenzo NERI und Alin ANCA (Konsuln) ergänzten
solide. Die Krone hier gebührt jedoch Szymon KOBYLINSKI als Podestà von
Como, der nicht nur seine schöne Baßstimme hören ließ, sondern zudem ein
darstellerisches Kabinettsstückchen eines feigen subalternen Beamten ablieferte.
Der
CHOR, erstmals für eine Neuproduktion vom neuen Chordirektor Eberhard
FRIEDRICH einstudiert, zeigte eine großartige Leistung. So homogen, voller
Elan und Leidenschaft hat man ihn lange nicht gehört.
Verglichen
mit den Inszenierungen italienischen Opern, mit denen man an der Staatsoper
während der letzten beiden Intendanzen so geschlagen war, kann man diese
von David ALDEN eigentlich nur als positiv bewerten. Sie ist, soweit wir
sie aus der Loge im 4. Rang überhaupt verfolgen konnten, ausgesprochen
langweilig, doch sie verzichtet trotz zeitlicher Verlegung in die erste
Hälfte des 20. Jahrhunderts auf jegliche Mätzchen. Allein das ist eine
enorme Erleichterung. Es wäre jedoch erfreulich, wenn auch soetwas wie
Personenregie stattgefunden hätte, anstatt nur Rampensingen und das "Jeder-tut-das-was-er-kann".
Den
Chor mit Noten, aber keiner Bewegung zu versehen, wirkt eher hilflos,
als daß die im Programmheft bemerkte Funktion als "griechischer Chor"
sich irgendwie erschlösse.
Das
Bühnenbild (Charles EDWARDS) konnten wir nur ansatzweise erkennen. Es
soll hier ein durchgängiges Konzept für alle drei Oper geben. Teil davon
ist offenbar, daß der Chor auf einer Art Theaterbalkon rauf- und runtergefahren
wird. Akustisch ist das nicht nur gelegentlich problematisch.
Die
Lichtregie von Adam SILVERMAN beschränkte sich von unserem Platz aus gesehen
auf hell und dunkel. Die Kostüme waren von Brigitte REIFFENSTUEL in gedeckten
Tönen gehalten und paßten in die späten zwanziger, frühen dreißiger Jahre
des letzten Jahrhunderts. Warum allerdings Kostümbildner diesen schon
häufig beobachteten Hang dazu haben, Frauen in extrem unkleidsame Winkelkleider
und zu enge Kostüme zu stecken und sie dadurch sehr matronenhaft wirken
zu lassen, ist unverständlich.
Die
Choreografie (vermutlich der Kampfszene, ansonsten war da wenig zu beobachten)
hatte Maxine BRAHAM übernommen. Sie bot wenig Stoff für Aufregung, sowohl
im positiven als auch negativen Sinne.
Die
erste Live-Begegnung mit diesem Werk ist nicht zu bedauern, auch wenn
eine bessere Umsetzung vorstellbar wäre. MK & AHS
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