Romantisches
Drama mit ohne Anfassen
Bisher
hatte es sich nicht ergeben, sich "Manon Lescaut"-Produktion aus dem vergangenen
Jahr einmal anzuschauen. Es fehlte irgendwie der Antrieb dazu, was eine
Umbesetzung der Tenorpartie nun änderte.
War
es ein Omen oder Zufall, daß diese Produktion am 1. April vergangenen
Jahres Premiere hatte?
Gespielt
wird in einem Einheitsraum mit mal mehr und mal weniger Stühlen, dessen
Wände beweglich sind und auch mal Fotos oder Spiegel zeigen (Bühnenbild:
Johannes LEIACKER). Gefüllt wird der Raum zwar von Zeit zu Zeit mit Personen,
doch irgendwie trotzdem kaum mit Leben. Den Kostümen von Gesine VÖLLM
nach zu urteilen, könnte es sich um einen (mißglückten) Versuch von Commedia
dell'arte handeln. Weshalb der bedauernswerte Des Grieux allerdings den
gesamten Abend auf der Bühne verbringen muß, bleibt offen.
Soweit
zu erkennen, schauen sich die beiden Protagonisten nicht ein einziges
Mal an. Die Momente, in denen sie sich berühren dürfen sind rar. Sie gehörten
zudem nicht zu den emotionalen Höhepunkten des Abends. Haben Regisseure
vor lauter Beleuchten des psychologischen Hintergrunds tatsächlich zum
großen Teil verlernt, einfach eine Geschichte zu erzählen?
Philipp
HIMMELMANN bringt in seiner Inszenierung zwar die notwendigen Puzzleteile
auf die Bühne. Ein Gesamtbild entsteht daraus aber nicht, und so wünscht
man sich beinahe eine konzertante Aufführung. Da gäbe es dann auch ein
Einheitsbühnenbild und Stühle, aber die Sänger wären wenigstens nicht
an irgendein entfremdendes Konzept gebunden.
Norma
FANTINI sang die Titelpartie. Man hörte lauter richtige Töne, und es ist
sicherlich persönliches Empfinden, wenn hier keine weiteren Emotionen
ankamen. Ganz generell schienen die Momente der eitlen, selbstzentrierten
Manon glaubhafter als die emotionalen Ausbrüche des liebenden und leidenden
jungen Mädchens.
Hauptgrund
für den Vorstellungsbesuch war der als Des Grieux eingesprungene Marcello
GIORDANI. Nach einem etwas verhaltenen Beginn steigerte sich er sich zu
einer großartigen musikalischen Interpretation, die alle Statik zu der
Des Grieux in dieser Inszenierung verdammt scheint, wettmachte. Hier hörte
man, was man bei Manon so vermißte: die Emotionen in der Stimme und den
Mut zum stimmlichen Risiko. Schade, daß dies wohl ein eher einmaliger
Besuch gewesen sein wird.
Als
hervorragender Sänger und berüchtigter Szenendieb ist Lauri VASAR bekannt.
Sein (fast) lupenreiner Spagat kam dann doch etwas überraschend. Er gab
Lescaut sowohl stimmlich, als auch in der Darstellung eine Jugendlichkeit,
die man nicht immer in dieser Partie sieht, die aber hervorragend ins
Stück paßt.
Dovlet
NURGELDIYEV nutzte seine herausragenden gesanglichen wie darstellerischen
Fähigkeiten, um trotz des absurden Kostüms die Partie des Edmondo kurzerhand
aufzuwerten. Ayk MARTIROSSIAN sang als Geronte grundsolide und gab spielfreudig
den alten Galan. Es steht zu hoffen, daß seine im Werden begriffene positive
stimmliche Entwicklung so weitergeht. Levente PALL durfte als Comandante
di Marina diesmal nur ganz kurz ran, war aber ausgesprochen präsent.
Es
war vor allem auch ein Abend des Opernstudios. Mit einem großartigen Szymon
KOBYLINSKI (L'Oste), der trotz seiner nur kurzen Auftritten positiv auf
sich aufmerksam machte, und der ebenso großartigen Ida ALDRIAN (Un Musico),
mit Manuel GÜNTHER (Un Lampionaio), der überraschend italienisch klang,
und Sergiu SAPLACAN (Il Maestro di Ballo), der das versuchte, sowie Thomas
FLORIO (Un Sergente) mit gut klingender Stimme und Turnerqualitäten.
Der
CHOR (Leitung: Christian GÜNTHER) hatte einen eher mittelprächtigen Abend,
was wohl zumindest teilweise dem Dirigat geschuldet war. Man hat schon
wesentlich bessere Abende unter der Leitung von Asher FISH gehört. Diesmal
kam es zu Unstimmigkeiten zwischen Graben und Bühne, und auch eine gewisse
Schludrigkeit seitens der PHILHARMONIKER war nicht zu überhören. Schön
gelungen war das Intermezzo, doch dieser Moment war vorbei, sobald der
Vorhang sich hob.
Es
war mitnichten ein verschenkender Abend, sondern einer, der erneut gerade
die Qualität des hauseigenen Ensembles bewies. Es steht zu hoffen, daß
diese Standards auch unter der nächsten Intendanz Bestand haben werden.
AHS
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